Kaso Nausad Madhosh tanzt Krump, singt R’n’B und verbindet Funk mit kurdischer Kultur. Im Interview mit FINK.HAMBURG erzählt er, wie ihn seine Wurzeln prägen und wie wichtig seine Eltern für ihn sind.

Text: Joana Kimmich
Titelbild: Maria Gassner

Kaso ist mit seinen Eltern im Jahr 2000 aus dem Irak geflüchtet. Danach wuchs er in Deutschland erst im Flüchtlingsheim und dann an verschiedenen Orten in Norddeutschland auf. Übers Tanzen ist er zum R’n’B-Gesang  gekommen. Heute performt er mit seiner Band The A-Teem und macht Neo-Funk. Seine Musik ist mal laut und mal smooth, bringt seine kurdische Wurzeln in die Funk-Musik ein und geht sein Leben mit norddeutscher Gelassenheit an.

FINK.HAMBURG: Wie bist du zum Funk gekommen?

Kaso: Für mich ist Funk die perfekte Möglichkeit mich auszudrücken. Das ist real, rough und authentisch. Und es spiegelt mich auch wider, ohne mich zu verbiegen. Wenn du als Flüchtling nach Deutschland kommst, lernst du, dich zu verbiegen und es dauert lange, bis du dich selbst findest. Gleichzeitig kann ich beim Funk das, was ich aus meiner anderen Welt noch kenne – nämlich das Tanzen – mit einbringen. Hip-Hop kommt ja direkt aus dem Funk und enthält viele Funk-Sample. Meine Tanzart Krump ist genauso rough, genauso hart wie Funk.

FINK.HAMBURG: Wie würdest du deinen Musikstil beschreiben?

Kaso: Mein Gesang ist R’n’B. Ich singe soulful. Es wäre zu eingeschränkt, zu sagen: Kaso ist gleich Funk. Ich will Funk in die heutige Zeit bringen. So wie N.E.R.D – die Band von Chad Hugo, Pharrell Williams und Shay Haley. Und wenn wir modernen Funk anhören, Funk-Pop sozusagen, dann ist das eine Perfect Marriage. Da gehört R’n’B rein, da gehört auch smoother Neo-Soul rein. Wenn wir laute Songs machen, dann wird es noch funkier und energiereicher. Wenn du unsere Show angeguckt hast, hast du die Energie gesehen, die wir auf die Bühne gebracht haben. Ich habe ja nicht nur dagestanden und gesungen.

Kaso: Inspiriert von N.E.R.D und D’Angelo

FINK.HAMBURG: Ja, es grenzt an Sport, was du da gemacht hast.

Kaso: Das war Sport! Es gibt diese Musikschüler, die machen immer so „Alte-Leute-Funk“. Aber D’Angelo zum Beispiel bringt Funk geil auf die Bühne. Ich war bei einem Konzert von ihm zum Release des Albums „Voodoo“. Das ist ein Typ, der kann einerseits ultra soulful, ultra smooth sein – und wenn er ausrastet, ist Feierabend, Explosion! Das war das erste Mal, dass ich so etwas gesehen habe. D’Angelo steht nicht rum und singt. Ich habe jahrelang getanzt, bevor ich gesungen habe. Also dachte ich, ich kann das auch. Ich habe D’Angelo studiert und die Künstler, die ihn inspiriert haben, wie Prince. Und dann habe ich die Band gegründet und wir machen unser eigenes Ding daraus.

Porträt von Kaso: Kaso trägt ein rotes Shirt
Kaso ist über das Tanzen zum Gesang und schließlich zum Funk gekommen. Foto: Victor Castaneda

FINK.HAMBURG: Wann hast du die Band gegründet?

Kaso: 2021. Wir hatten auch erst drei Auftritte. Aber es läuft geschmeidig, weil wir einzeln natürlich erfahren sind.

FINK.HAMBURG: Wie bist du darauf gekommen, Flamenco-Gitarre mit einzubauen? Das ist ja schon sehr außergewöhnlich.

Kaso: Für mich spielt Authentizität eine riesengroße Rolle. Das heißt einfach nur: Sei der, der du bist. Und arbeite mit dem, was du hast. Mein Gitarrist Ascan spielt jeden Freitag mit seinem Vater in einer kleinen süßen Weinstube Flamenco. Und dann dachte ich, lass uns das mit reinbringen. Beim Konzert habe ich den Fokus auf Flamenco gesetzt, weil es mir wichtig ist, dass wir einen Signature Sound haben.

FINK.HAMBURG: Kannst du mir und allen, die es nicht wissen, noch einmal erklären, was Krump ist.

Kaso: Krump ist ein relativ neuer Tanzstil. Entstanden ist er in South Central, Los Angeles. Die Erfinder sind Tight Eyes und Big Mijo. Krump ist kein Hip-Hop, kommt aber aus dieser urbanen Richtung. Und Krump ist sehr explosiv und ausdrucksstark. Manch einer von außen denkt, Krump-Tänzer*innen sind einfach nur aggro und fuchteln die ganze Zeit mit den Armen rum. Aber Krump ist ultra spirituell. Bei einer Session stehen Leute drumherum und hypen dich so hart, dass dein Energielevel hoch geht – bis du bist praktisch in Trance bist. Dieses Gefühl nehme ich mit auf die Bühne.

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FINK.HAMBURG: Und plötzlich stehst du in der Menge und tanzt mit dem Publikum …

Kaso: Das war bei dem Konzert nicht geplant. Das war richtig schön für mich. Weißt du, wie lange es gedauert hat, für mich zu checken, dass Leute mich dafür feiern, dass ich ich selbst bin? Ich habe von klein auf gelernt, mich zu verbiegen, damit ich akzeptiert werde. Dementsprechend bin ich euphorisch und gebe das ans Publikum zurück. Die Leute fühlen das und auf einmal tanzen wir zusammen. Das war ein kurdischer Volkstanz, den wir getanzt haben. Social Dancing pur.

FINK.HAMBURG: Und das auf Funk-Musik.

Kaso: Das ist das Kurdischste, was du machen kannst. Wir tanzen eigentlich in jeder Situation. Auf Hochzeiten, beim Picknick – es wird immer getanzt. Vor allem dieser Tanz, den wir bei dem Konzert getanzt haben. Der Ausruf „Halhala“ ist eine Art Energie-Boost von den Frauen, um das Ganze ein bisschen zu pushen. Ich habe das Glück, dass ich ultra offene und schlaue Eltern habe, die immer sagen: Mach was du willst, solange du es authentisch machst. Dann sag ich: Fuck it, dann rufen halt eigentlich nur Frauen „Halhala“ – was interessieren mich Gender Roles. Ich rufe „Halhala“ richtig gerne und habe es deshalb in die Show mit eingebaut.

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Kaso: „Ich kann dir schwer sagen, wo ich wirklich herkomme. Ich bin alle fünf Jahre umgezogen.“

FINK.HAMBURG: Du hast gesagt, dass du viel aus deiner Biografie in deine Musik mit einbringst. Was ist dein Background und wie beeinflusst er deine Musik?

Kaso: 1996 bin ich im Irak geboren. Ich bin Kurde, aber im irakischen Teil geboren und nicht in Kurdistan. Wegen des Kriegs war die Situation damals in Bagdad besser als im Norden Iraks, wo das kurdische Gebiet liegt. 2000 bin ich nach Deutschland gekommen, dann wie alle anderen auch erst ins Flüchtlingsheim. Manchmal sagen Leute: Das ist mein Kindheitsfreund seit 25 Jahren. Das habe ich mir immer gewünscht. Ich kann dir schwer sagen, wo ich wirklich herkomme. Erst Flüchtlingsheim, dann Ostsee. Ich bin alle fünf Jahre umgezogen hier in Deutschland. Neustadt in Holstein. Dann Neustart, Grundschule, fünfte Klasse, ab nach Lübeck bis zum Abitur, ab nach Hamburg. Uni.

Ich habe zum Beispiel ein Jahr in den Staaten studiert, war ein Jahr in Los Angeles. Ich komme von der untersten Schicht, die es gibt: Flüchtlingsheim. Du kannst dir kein Auslandsjahr finanzieren, aber ich wollte das trotzdem immer. Also musste ich andere Wege finden.

FINK.HAMBURG: Ist deine Familie stolz auf das, was du machst?

Kaso: Meine Eltern waren erst stutzig – vor allem zu der Zeit, als ich nur getanzt habe. Weil das nur ein Underground Ding war, nichts für die Zukunft oder so. Mein Vater mag Kunst, aber er hat das nicht so verstanden. Zu einem Konzert kam er dann und hat gesagt: Ich habe dich gesehen, mach weiter. Jetzt ruft er mich an und fragt: Kaso, wann ist dein nächster Gig? Mach dich mal ran, organisiere mal mehr.

FINK.HAMBURG: Aber das ist auch viel Druck, oder?

Kaso: Ich bin dankbar dafür. Deshalb fällt es mir leicht, BWL zu studieren. Ich musste gut sein, weil meine Mama sonst traurig ist. Weißt du, wie viel meine Eltern für mich aufgegeben haben? Die haben alles in Irak zurückgelassen. Warum? Damit mein Bruder und ich eine bessere Zukunft haben. Da kann ich ja wohl ein Studium durchziehen in vier Jahren.

„Die Leute schauen mit Abstand auf fremde Kulturen, als würden sie auf ein Gemälde gucken.“

FINK.HAMBURG: Seit wann bist du in Hamburg? 

Kaso: Seit 2017. Das Coole ist, dass ich mich durch Stipendien auf die Musik fokussieren konnte und nicht arbeiten musste. Ich habe erst ein Jahr Ethnologie studiert. Von außen klang das erstmal gut. Dann komm ich rein: nur Deutsche. Nur Deutsche, die die ganze Zeit etwas über fremde Kulturen erzählen wollen, aber nicht wirklich Erfahrungen haben, sondern alle mit Abstand darauf schauen, als würden sie auf ein Gemälde gucken. Die haben das Fach Kulturwissenschaften ausgetrocknet. Dann bin ich raus und zu BWL gewechselt. Dabei kann ich für meine eigene Band was lernen.

FINK.HAMBURG: Du interagierst viel mit dem Publikum. Nicht alle Musiker*innnen sind auch Entertainer*innen. 

Kaso: Kennst du das, wenn du im Publikum stehst und fühlst, was da abgeht? Das Publikum will nur noch eingeladen werden und möchte explodieren. Als Sänger musst du das dann in die Hand nehmen. Im Endeffekt ist mein Ziel bei einem Konzert, dass alle eins werden. Dann kannst du Leute zum Denken anregen mit dem, was du sagst, was du singst, was du fühlst. Du musst sie abholen, um Spaß und Freude zu haben, vielleicht auch eine Träne mit ihnen zu teilen. Wenn ihr bis zum Schluss geblieben seid: Jin, Jiyan, Azadi.

FINK.HAMBURG: Das bedeutet übersetzt „Frau, Leben, Freiheit“. Du hast damit auf die Lage in Iran hingewiesen. Politische Messages sind dir wichtig?

Kaso: Ja, weil mich solche Sachen geprägt haben, da kann ich nicht einfach nur zuschauen. Was bringt denn Kunst, wenn sie nicht auch noch weiter etwas bewirkt, außer Freude? Sie muss doch Dinge ansprechen, die gerade stattfinden.

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FINK.HAMBURG: Warum heißt deine Band eigentlich A-Teem?

Kaso: Kennst du die Actionserie “A-Team” Ich fand die toll und bin damit aufgewachsen. Mein Vater hat uns das immer gezeigt. Die Charaktere, das A-Team, sind ein Haufen wilder Jungs. Sie sind wie sie sind: grob, rough. Die lassen sich nicht verbiegen und auf ihre Art und Weise erfüllen sie immer die Mission. Wir sind auch ein Haufen Jungs. Wir sind wir selbst und machen unser Ding, bringen es rüber und im Endeffekt liefern wir ab. Das macht das A-Team und so machen wir es mit dem A-Teem.

Kaso hatte im Dezember 2022 sein drittes Konzert mit Kaso & The A-Teem. FINK.HAMBURG war dabei, die Rezension dazu findest du hier