Eine Person mit einer blutenden Lippe hält sich das Kinn.
In Hamburg werden mehr schwere Sexualdelikte dokumentiert: Von Januar bis September 2023 ist die Anzahl der gemeldeten Fälle um 57 Fälle höher als im Vorjahreszeitraum.

In Hamburg werden mehr schwere Sexualdelikte dokumentiert: Von Januar bis September 2023 wurden 57 mehr Fälle gemeldet als im Vorjahreszeitraum. Die Dunkelziffer ist höher. 

Triggerwarnung:
Im folgenden Beitrag werden sexualisierte Gewalthandlungen thematisiert, die belastend und retraumatisierend sein können.

In den ersten neun Monaten von 2023 dokumentierte die Polizei in Hamburg 210 schwerste Sexualdelikte. Das sind 57 mehr als von Januar bis September 2022, ein deutlicher Anstieg. Als schwerste Sexualstraftaten werden Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuelle Übergriffe schwerster Art bezeichnet. Die Bilanz, Ergebnis einer kleinen Anfrage an den Senat, zeigt aber nur das sogenannte Hellfeld; also die Fälle, die bei der Polizei angezeigt werden.

Sexualdelikte vor allem in Beziehungen

Der Anstieg liege an mehr gemeldeten Beziehungstaten, so der Senat. “Der äußere Raum wirkt bedrohlicher, aber vor allem für Frauen liegt die Gefahr im Privaten”, sagt Thomas Utesch von der Opferhilfe Hamburg. Er ist psychologischer Psychotherapeut bei der Opferhilfe Hamburg und berät Betroffene von Gewalt und Trauma. Statt Unbekannte in dunklen Gassen oder in Menschenmassen verübten vor allem Bekannte die Straftaten, beispielsweise der Ex-Freund, der Beziehungspartner oder ein Familienmitglied. Das waren in 2023 bisher 48 mehr als in 2022: Geschädigte trauen sich wohl vermehrt, trotz Kontakt zur Tatperson, die Straftaten anzuzeigen.

Der Psychotherapeut gibt zu bedenken, dass manche Fälle auch erst nach verstrichener Zeit zur Anzeige gebracht werden. Fanden die Betroffenen damals keine Worte, werden sie sich vielleicht erst später bewusst, dass ihnen Unrecht getan wurde. Nachträgliche Ermittlungen sind allerdings nicht immer erfolgreich.

Viele Sexualstraftaten nicht dokumentiert

Die Dunkelziffer sei größer, erklärt Utesch. “Es gibt ein zunehmendes Bewusstsein in der Öffentlichkeit und eine gestiegene Bereitschaft über diese Themen zu sprechen”, sagt er. Dass Anschuldigungen über Sexualstraftaten präsenter diskutiert werden, hat in der Vergangenheit allerdings auch negative Folgen für die Betroffenen gehabt. Als Frauen im Internet und in Zeitungen den Rammstein-Frontmann Til Lindemann beschuldigten, wurden nicht nur ihre Aussagen, sondern auch ihre Persönlichkeiten in sozialen Medien angegriffen.

Das kritische Echo, die rechtlichen Konsequenzen durch Lindemanns Anwälte und die öffentliche Diffamierung der Betroffenen schreckt ab. Ein schweres Sexualdelikt sei ein traumatisierender Kontrollverlust für die Geschädigten, sagt Utesch. Deswegen sei es wichtig, dass die Person Kontrolle über die Schritte vor und nach der Anzeige hat. Auch im Kontakt zur Polizei sieht Utesch eine hohe Schwelle für die Hilfesuchenden: “Hier müssen sie sich unangenehmen Fragen stellen und könnten Stigmatisierung erfahren.” Er plädiert dafür, Polizist*innen umfangreich für Trauma und den Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren.

Was kann ich als Zeug*in einer Sexualstraftat tun?

Wird man selbst Zeug*in einer solchen Straftat, gäbe es mehrere Handlungsmöglichkeiten, so Utesch. Bei allen gelte jedoch, keine Entscheidungen über die Betroffenen hinweg zu treffen. Der Psychologe betont zudem, dass auch kein Druck für oder gegen eine Anzeige ausgeübt werden sollte. “Es gibt da kein Richtig oder Falsch, wie die Betroffenen weiterverfahren”, sagt er. Generell helfe es, im eigenen Umfeld wachsam zu sein mit dem Bewusstsein, dass es nicht immer einfach ist, sich gegen die Täter*innen zu wehren. “Ist man bei einer Straftat anwesend, kann es helfen, die Tat zu benennen, im öffentlichen Raum Awareness herzustellen oder im Privaten auf die betroffene Person zuzugehen”, rät Utesch.

Gleichzeitig sollte aber auch auf die eigene Sicherheit geachtet werden. Geschädigte können an Beratungsstellen verwiesen werden. Die sind in Hamburg beispielsweise der Frauennotruf oder das Hilfetelefon gegen Gewalt. Das Universitätsklinikum Hamburg bietet eine rechtsmedizinische Untersuchung an, die Verletzungen gerichtsfest dokumentiert. Wichtig ist aber: Der Wille der Betroffenen und ihre Autonomie haben höchste Priorität.

Jahrgang 1997, hat schon einmal für den HR die Europameister im Fliesenlegen begleitet. Sie selbst legt lieber Musik auf. Als die Clubs in der Corona-Zeit geschlossen waren, brachte sie sich selbst bei, House-Musik zu mixen. Musik ist für Anna ein großes Thema. Ihr Abitur machte sie auf dem bekannten Musikgymnasium Montabaur. Neben dem Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaften in Münster arbeitete sie für die “Westfälischen Nachrichten” als Kultur- und Onlinejournalistin. Bei dem Campussender ihrer Uni leitete sie die Onlineredaktion und schrieb für das Straßenmagazin "draußen e.V." über öffentlichen Raum. Annas großer Traum: ein eigener Radiosender auf Spiekeroog.