Ist das wirklich nachhaltig oder Greenwashing? Nur die wenigsten können das unterscheiden, wie eine neue Verbraucherstudie zeigt. Eine Herausforderung auch für die COP28 in Dubai.
Von „grün Einkaufen“ bis „grün Fliegen“ – für fast alle Produkte und Dienstleistungen gibt es vermeintlich nachhaltige Alternativen. Aber welchen Klimaschutz-Bekenntnissen kann man vertrauen? Nur wenige Europäer*innen trauen sich laut einer neuen Studie der European Consumer Organisation (BEUC) zu, Greenwashing sicher zu identifizieren. Auch bei dem diesjährigen Weltklimagipfel ist zu erwarten, dass Unternehmen, politische Parteien und Staaten die Konferenz als Plattform für ein umweltfreundliches Image nutzen, egal ob es zu ihrem Handeln außerhalb der Konferenz passt. Im Gastgeberland – den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) – entsteht kurz vor Gipfelstart noch eine eindrucksvolle Solaranlage, während die Ölproduktion bald boomen soll wie nie zuvor. Große Fleischkonzerne planen in Dubai laut dem Guardian eine trügerische Kampagne für „nachhaltigen Fleischkonsum“. Doch nicht nur Unternehmen färben sich für die COP grün. Wie kann man Greenwashing erkennen?
Was bedeutet Greenwashing ?
Nach dem Cambridge Dictionary beschreibt „Greenwashing“ Aktivitäten von Unternehmen, die den Anschein erwecken sollen, umweltfreundlicher und nachhaltiger zu handeln, als es tatsächlich der Fall ist. Die Farbe Grün symbolisiert hier Natur und Nachhaltigkeit, während „Waschen” das Reinwaschen von Schuld für ein positives Image bedeutet.
Kampagnen von Fast-Fashion-Größen, wie H&M, Zara oder Adidas werben mit recycelten Klamotten oder Schuhen aus Meeresplastik. Tatsächlich sind die Anteile der recycelten Kleidungsstücke aber im Vergleich zum restlichen Produktkatalog, der zuhauf unrecycelt auf Mülldeponien landet, verschwindend gering. Oft sind die von Unternehmen verbreiteten „grünen Behauptungen“ zwar wahr, aber sie lenken geschickt von den ökologischen Herausforderungen ab, die ihr Kerngeschäft verursacht. Das macht es für Verbraucher*innen schwer, echte Nachhaltigkeit von Greenwashing zu unterscheiden. Zu den großen Folgeschäden von Greenwashing zählt auch, dass die Bemühungen echter Umweltinitiativen untergraben werden.
Nur drei Prozent erkennen Greenwashing
Zwischen Öko-Werbekampagnen, Umweltsiegeln und grünen Versprechen kann man sich fühlen wie in einem großen grünen Labyrinth – so lautet auch der Titel der BEUC-Studie „the great green maze“, deren Ergebnisse zeigen: Umweltbezogene Werbung verwirrt Konsument*innen enorm. Lediglich etwa drei Prozent der befragten Europäer*innen sind sich sicher, Behauptungen, hinter denen sich Greenwashing verbirgt, immer identifizieren zu können. Drei Viertel der Befragten wünschen sich einen besseren Durchblick zum Beispiel durch striktere Regeln bei Umweltsiegeln. Bei der Studie haben zahlreiche Verbraucherorganisationen aus zwölf europäischen Staaten mitgewirkt.
Die Umfrage wurde in Australien, Österreich, Belgien, Dänemark, Kanada, Tschechien, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen, Portugal, Slowenien, Spanien, den USA und Schweden durchgeführt. Insgesamt wurden etwa 14.500 Menschen befragt. Deutschland ist dabei nicht einbezogen.
Greenwashing bei der COP28 erkennen
Die Weltklimakonferenzen wurde bereits in den vergangenen Jahren vermehrt wegen Greenwashing und einer wachsenden Präsenz der Kohle-, Öl- und Gaslobbyisten kritisiert, zum Beispiel von Greenpeace oder Fridays for Future. Aber auch UN-Generalsekretär Guterres verurteilte Greenwashing schon bei der vergangenen Klimakonferenz in Ägypten. Dieses Jahr in Dubai entsteht bereits durch die Rahmenbedingungen ein Interessenskonflikt: Die Konferenz wird von einem Land ausgerichtet, das sein Hauptgeschäft – die Ölindustrie – unter einem grünen Schleier verstecken will. Die Verwirrung über grüne Behauptungen könnten also auch bei der COP große Hindernisse beim Übergang zu nachhaltigen Lösungen darstellen. Das Event wurde so groß aufgezogen wie noch nie – erwartet werden bis zu 80.000 Besuchende. Bei welchen Aktionen und Akteuren der COP28 sich Greenwashing verbergen kann und hinterfragt werden muss, zeigen drei Beispiele.
Das Wording bei politischen Verhandlungen
Bei politischen Reden und Verhandlungen geht es häufig um sprachliche Details. Ein Beispiel: „Phase out“ oder „Phase down“? Was wie ein kleiner Unterschied in der Formulierung aussieht, sorgte vor der COP28 für Kontroversen. Ersteres kann den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bedeuten, das andere nur die Reduzierung. Der offizielle Rat der Weltnaturschutzunion (IUCN) an alle Vertragsparteien auf der COP ist eindeutig, den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen zu unterstützen. Razan Al Mubarak sprach in einem Interview mit Eco-Business als Präsidentin der IUCN über die Reduktion von fossilen Brennstoffen. Sie erwähnt auch, dass nur unverminderte Kraftstoffe ausgelassen werden müssen. Dies würde bedeuten, dass fossile Brennstoffe in Kombination mit der CO₂-Speichertechnologie (CCS) weiterhin zulässig wären. Der genaue Wortlaut wird bei der COP28 also bei allen Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen.
Die Akteure dahinter sehen
Neben Verhandlungsgesprächen zwischen Regierungsvertreter*innen in der „Blue Zone” und wirtschaftlichen Akteuren, die sich in der „Green Zone“ bei der COP präsentieren, spielen auch Kunst und kulturelle Aufführungen eine Rolle bei Weltklimagipfeln. Eine bekannte Kunstinstallation in der Vergangenheit trug den Namen „Ice Watch“. Der Künstler Ólafur Elíasson transportierte 2015 zwölf schmelzende Gletscher mit einem Containerfrachter aus Grönland zur Klimakonferenz in Paris auf den Place du Panthéonsollten, wo diese vor sich hin schmolzen und den Klimawandel symbolisieren sollten. Michael R. Bloomberg, ein Multimilliardär, der sich seit Jahren auf Klimagipfeln für marktfreundliche Lösungen gegen die Klimakrise einsetzt, war Sponsor der Aktion. Kritiker, darunter Journalisten und Klimaschützer, warfen Bloomberg insbesondere seine Investitionen in Erdgas und Öl vor.
(Un)realistische Ziele erkennen
Oft sind es besonders große oder eindrucksvolle Vorhaben, die Misstrauen erwecken. Bei vergangenen Klimakonferenzen kündigten immer mehr Länder und Firmen sogenannte Netto-Null-Ziele an. Sie wollen Treibhausgase also so reduzieren, dass sie am Ende keine zusätzlichen Gase mehr ausstoßen. Oft beinhalten solche Vorhaben allerdings eine wenig transparente Methode, den Erwerb von Emissionsrechten. CO2 soll durch den Kauf mit nachhaltigen Projekten – zum Beispiel der Aufforstung von Wäldern – kompensiert werden. Das ist nicht grundlegend falsch. „Netto null“ bedeutet in den meisten Fällen nur nicht, dass dann null menschenverursachte Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen. Wichtig ist immer, dass große Vorhaben auch mit einer genauen Strategie erklärt werden können und der Weg zum Ziel transparent gemacht wird. Neben Netto-Null-Zielen sollten auch Ziele wie „Klimaneutralität“ genau hinterfragt weden. Es handelt sich hierbei um nicht geschütze Begriffe, die in der Praxis jedes Unternehmen selbst auslegen kann.
Lösungen: Braucht es mehr Regeln?
Strengere Regeln würden viele Studienteilnehmenden der BEUC-Verbraucherumfrage befürworten: Etwa drei Viertel der befragten Personen in Europa wünschen sich, dass Unternehmen, die Umweltschäden verursachen, überhaupt keine grünen Labels nutzen dürfen. Die bevorstehende COP28 sehen die Macher der Studie als Gelegenheit für Länder weltweit, sich auf wichtige Regeln zu einigen. Ein Sprecher von BEUC schlägt auf Nachfrage von FINK.HAMBURG vor: „Klimaverhandler könnten sich von der Tabakkonvention der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2003 inspirieren lassen, die unter anderem den Weg für ein Verbot jeglicher Tabakwerbung in den Unterzeichnerländern ebnete.“ Auch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) fordert Regeln, die sicherstellen, dass nur Projekte, die wirklich zum Klimaschutz beitragen, anerkannt werden. So könne auch der Emissionshandel helfen, den weltweiten Klimaschutz zu unterstützen und die Nutzung von umweltfreundlichen Technologien zu fördern.
Die Mitgliedstaaten der EU haben im September ein Greenwashing-Verbot beschlossen. Eine finale Abstimmung des EU-Parlaments soll bald stattfinden. Für die Umsetzung bekommen die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit. Künftig darf dann mit Begriffen wie „nachhaltig“, „öko“ oder „klimaneutral“ nur noch geworben werden, wenn die Produkte sich auch an ihre Versprechen halten.