Jeder kann von einem Einbruch betroffen sein. In der öffentlichen Wahrnehmung steigt die Gefahr immer weiter an. Doch in Hamburg gibt es immer weniger Einbrüche. Das hat einen guten Grund.
Alexandra Klein trägt Hosenanzug, die Haare sorgfältig gelegt, die Augen geschärft. Sie ist die Leiterin der Sonderkomission Castle der Polizei Hamburg. Vor etwa zwei Jahren hat die Polizei auf die damals stark ansteigenden Einbruchzahlen reagiert und die SoKo gegründet. Diese hat schnell erste Erfolge gezeigt.
In einem Hochhaus in der Nähe des Polizeipräsidiums erklärt Klein das Konzept der Einheit und erläutert, ob und warum sich die Arbeit bisher auszahlt. Wenn die Kriminaloberrätin von Einbrüchen erzählt, fallen Worte wie “Hellfeld”, “Grundrauschen” oder “Repeat und Near-Repeat”. Ende 2015 hat Klein in einem Interview mit der “Zeit” erzählt, dass “die Freiheit, neue Wege zu entwickeln” das Wichtigste der damals neuen Sonderkomission ist. Seither hat sich einiges verändert.
Mit neuem Konzept schließt sich der Kreis
In einem langen und aufwendigen Prozess hat die SoKo Castle ein neues Konzept zur Bekämpfung von Einbrüchen entwickelt. Die Idee: Puzzleteile zusammensetzen statt Einzeltäter zu jagen, Einbrecher mit belastbaren Beweisen an die Justiz übergeben und so den Druck auf andere Täter erhöhen. Das neue Konzept zeigt erste Erfolge: In 2016 ist die Einbruchrate in Hamburg deutlich zurückgegangen.
Das hat laut Klein verschiedene Gründe: “Am Anfang haben wir verhaftet, verhaftet, verhaftet, in einer Tour. Eine Tat, das hat uns gelangt.” Dies sei jedoch nur ein Faktor und auch nur der Anfang gewesen. Viel wichtiger ist für die Leiterin von Castle, dass “der Kreis geschlossen wurde, nicht nur die Polizei, sondern auch Bürger und Justiz müssen involviert sein.” Mittlerweile gibt es Haftstrafen bereits für den Versuch, in eine Wohnung oder Haus einzubrechen. Und durch eine Öffentlichkeitskampagne hat die Polizei das Bewusstsein der Bürger gesteigert.
Auf dieser Karte kann man die Einbrüche pro tausend Haushalte in den Hamburger Stadtteilen sehen.
Während die Anzahl der Einbrüche zurückgegangen ist, ist die Aufklärungsrate gestiegen. “Am Anfang sind wir sehr in die Täter reingelaufen. Es gab so viele von ihnen in der Stadt, wir mussten nur zugreifen”, erklärt Klein. Nach den anfänglichen Erfolgen ist die Arbeit für die Sonderkommission und ihre Ermittler jedoch merklich schwerer geworden. Dabei hat sie es mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Täter zu tun. “Es gibt zum Beispiel die klassische Beschaffungskriminalität und Taten aus Armut.” Die Polizei nennt das “Grundrauschen”, Einbrüche von Kleinkriminellen, die es in einer Großstadt wie Hamburg immer geben wird.
Die Herausforderung von Castle liegt eher bei den professionellen und organisierten Tätern. “Das ist nicht klassisch organisierte Kriminalität, aber manchmal gibt es familiäre Zusammenhänge oder lose Verbunde. Man lernt sich schnell über die gemeinsame Sprache kennen und dann geht man zusammen los”, sagt Klein. Eine spezielle Gruppe treibt besonders gern ihr Unwesen in Hamburg: Entgegen des weitverbreiteten Generalverdachts, handelt es sich hier nicht um Osteuropäer, sondern um reisende Einbrecher aus Chile. Die Chilenen, meist aus der Hauptstadt Santiago de Chile, kommen über einen Kontakt nach Hamburg. Dort haben sie dann einen “Ankerpunkt”, wie Klein es nennt. Sie bekommen Werkzeug und Informationen darüber, wo sich ein Einbruch gerade lohnt.
Chilenen brauchen Wintermäntel
Die Beute wird dann über Pakete, Bargeldtransfer oder Banken abgesetzt. Schmuck wird eingeschmolzen, wenn die Täter sich gut genug damit auskennen. Interessant ist eine scheinbar einfache Beobachtung der Polizei: “Wenn Täter aus wärmeren Regionen im Winter hierherkommen, fehlt oft die Winterkleidung der Opfer.” Rückschlüsse wie diese sind das Erfolgsrezept der SoKo Castle.
Die Polizei kann den Kreis durch tatbezogene und täterbezogene Informationen immer weiter eingrenzen: So kann die Polizei den Kreis immer weiter eingrenzen: “Wenn große Gegenstände geklaut wurden oder der Täter eine Leiter benutzt hat, dann wissen wir: Er ist nicht mit dem Fahrrad oder der U-Bahn gekommen.”
Castle-Leiterin Alexandra Klein gibt ein weiteres Beispiel: “Ein Täter hat beispielsweise immer sehr gewaltvoll Türen eingetreten und das ist ja schließlich laut. Er hat das aber immer nur dann getan, wenn Handwerker im Haus waren. Mit der Kombination anderer Präferenzen konnten wir dann sagen: Eigentlich müsste er am Freitag in der und der Zeitspanne in dem und dem Haus sein.”
Mit diesem Ansatz hat die SoKo medienwirksam Erfolge gefeiert. So erst vor etwa einer Woche, als drei Täter gefasst und ihnen mehr als 200 Einbrüche zugeordnet werden konnten. Obwohl die Einbruchsrate im ersten Quartal 2017 weiter gesunken ist, ist jetzt auch die Aufklärungsquote zurückgegangen. Aus Sicht der Polizei ist der Zusammenhang klar: Weniger Fälle gleich weniger Informationen, um Täter zu fassen. Es bleibt also abzuwarten, ob der Einsatz der Soko Castle auch langfristig von Erfolg gekrönt bleibt. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Einbrecher in den letzten zwei Jahren auch einen Bogen um Hamburg gemacht haben und andernorts den Erfolg suchen.
“Das Ziel ist es, nachhaltig zu sein”, sagt Klein. Dafür strebt sie vor allem ein gutes Informationsmanagement zwischen regionalen, nationalen und internationalen Behörden an. Wichtig sei, so Klein, dass der Druck hoch bleibe, denn die Einbrecher selbst sind auch informiert und passen sich dementsprechend an. “Wenn der Druck weg ist, dann kommen die wieder”.