Urlaub! Endlich wieder Zeit zum Lesen. Nur gute Bücher sollen die Reisetasche schwer machen. Diese Lektüre empfiehlt unsere Redaktion – darunter ein Camus-Klassiker und ein Roman über eine durchzechte Nacht auf dem Kiez.
“Der erste Mensch”
Lukas Schepers, Redakteur im Kulturressort
Wenn man Camus liest, schmeckt und riecht man die salzige Meeresluft Algeriens, spürt die Sonne auf der Haut. Beim 24 Jahre nach seinem Tod veröffentlichten Werkes “Der erste Mensch” vermischen sich diese Empfindung mit bittersüßer Trauer. Held der Geschichte ist der Algerienfranzose Jaques Cormery – in Wahrheit Camus selbst. Der authentische Werdegang macht den Roman sehr emotional. Die Geschichte führt den mit Armut kämpfenden Jungen von den sandigen Straßen der Kolonie über steinige Umwege ins Lycée, wo er sich endlich selbst entfalten kann.
Der Held wurde von Faustschlägen des Schicksals begleitet. Er war auf der Suche nach seiner Identität: Algerier oder Franzose? Armutskind oder Intellektueller? Ob die Suche erfolgreich war, wird sich nie herausstellen, denn Camus starb, bevor er das Werk vollenden konnte. Er verunglückte mit dem Manuskript im Gepäck bei einem tödlichen Autounfall mit dem Neffen seines Verlegers am Steuer. Dabei hatte er schon Zugtickets gekauft, um vom Landhaus, in dem er einige Wochen intensiv an „Der erste Mensch“ arbeitete, wieder zurück nach Paris zu fahren. Definitiv eine der schönsten und doch traurigsten Geschichten – sowohl literarisch als auch persönlich.
Albert Camus: “Der erste Mensch”, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1997, 288 Seiten, 8,90 Euro.
“Das Kind, das nicht fragte”
Johanna Röhr, Redakteurin im Ressort Mensch und Umwelt
Ein wunderbarer Roman für (auch regnerische) Sommertage in Hamburg: Ortheil nimmt den Leser mit seinem detailverliebt und poetisch geschrieben Buch mit in den Sommer Siziliens und in die Seele eines liebenswerten Protagonisten: Benjamin Merz ist Ende dreißig und Ethnologe. In seinem Fachgebiet ist er eine Koryphäe, aber ihm selbst fällt es schwer, das zu tun, worauf es in seiner Arbeit ankommt: Fragen stellen. Und das hat einen Grund.
Seine vier älteren Brüder drangsalierten ihn in seiner Kindheit – darauf regierte er mit Schweigen. Merz kann dafür exzellent zuhören. Mit großer Sensibilität nähert er sich den Einheimischen von Mandlica. Als Ethnologe möchte er die Besonderheiten der Menschen in der kleinen sizilianischen Stadt untersuchen. Dabei kommt es auch zu einer inneren Wandlung. Nach und nach gelingt es ihm, jedem noch so verschlossenen Gesprächspartner Geheimnisse zu entlocken.
Hanns-Josef Ortheil: “Das Kind, das nicht fragte”, btb, 2014, 427 Seiten, 10,00 Euro.
“Als Leser ist man gefühlt selbst die ganze Zeit Gast auf der großen Party gewesen.”
“Hamburg for Women only”
Laura Lagershausen, Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Soziales
“Tourist in der eigenen Stadt spielen? Dafür eignen sich die Sommermonate besonders gut. Als Inspiration empfehle ich “Hamburg for Women Only”. Auch den Männern. Von neuen Cafés über versteckte Street Art bis hin zu innovativen Interior-Shops gibt es in diesem Stadtführer ganz andere Tipps als in den gängigen Editionen.
Selbst gut informierte Hamburger können damit noch neue Orte entdecken. Außerdem macht es Spaß, die Portraits bekannter Hamburgerinnen zu lesen und dabei zu erfahren, welche Insider-Tipps sie für die Stadt geben. Für ein abwechslungsreiches Sommerprogramm ist damit auf jeden Fall gesorgt!
: “Hamburg for Women only”, Brandstätter Verlag, 2016, 208 Seiten, 24,00 Euro.
“So was von da”
Harriet Dohmeyer, Redakteurin im Kulturressort
Das Buch wurde 2011 von einem der Mitgründer des Uebel & Gefährlich, dem bekannten Club im ehemaligen Flagbunker auf St. Pauli, geschrieben: Tino Hanekamp. Die Hauptfigur seines Romanes ist der Clubbesitzer Oskar Wrobel, 23. Er durchlebt eine Silvesternacht, die es in sich hat, denn: Sein Musikclub in einem alten Krankenhaus am Ende der Reeperbahn muss schließen.
Hanekamp beschreibt detailliert die Abrissparty und lässt bekannte Hamburger Orte in seinem Roman auftauchen, etwa die Landungsbrücken oder die lauten Clubs auf dem Kiez. Die Hauptfigur Oskar Wrobel durchlebt einige Katastrophen und trifft skurrile Charaktere – wie Kiezkalle, der ihn um 10.000 Euro erpresst. Zum Glück sind Oskars Freunde noch verrückter als er selbst und stehen ihm in all dem Chaos bei. Auch, weil seine Ex-Freundin Mathilda immer noch Liebeskummer bei ihm verursacht.
Mit viel Witz und großer Geschwidigkeit erzählt Hanekamp seine Geschichte. Als Leser fühlt man sich, selbst auf der großen Party zu Gast gewesen zu sein. Der Film zum Buch wird übrigens gerade gedreht.
Tino Hanekamp: “So was von da”, KiWi-Paperback, 2012, 301 Seiten, 9,99 Euro.
“Liebe mit offenen Augen”
Johanna Felde, Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Soziales
Roberto arbeitet in der Werbebranche und führt eine komplizierte Beziehung. Überraschend erhält er von Paartherapeutin Laura E-Mails, die eigentlich an ihren Kollegen Fredy gehen sollen. Erst löscht er sie genervt, dann wird er neugierig und antwortet auf ihre Ideen zu Partnerschaft und Liebe. Eines Tages begegnet er ihr.
Ein Roman, in dem es um Paartherapie geht, erscheint auf den ersten Blick nur für Menschen in Beziehungen interessant. Das stimmt jedoch nicht. Die Autoren Jorge Bucay und Silvia Salinas schaffen es, in Form einer Diskussion auf realistische und romantische Weise klarzustellen: Wir sollten unser Gegenüber als Ganzes betrachten und nicht nur blind nach unserer ‚besseren Hälfte’ suchen.
Jorge Bucay und Silvia Salinas: “Liebe mit offenen Augen”, Fischer, 2010, 272 Seiten, 8,95 Euro.
“Drachenläufer”
Lisa Eichhorn, Redakteurin im Ressort Mensch und Umwelt
Amir und Hassan sind Freunde. Amir ist Sohn eines reichen Paschtunen. Hassans Vater ist Hausdieners. Dementsprechend unterschiedlich sind die Verhältnissen, unter denen sie aufwachsen. Dennoch verbindet die Jungs eine innige Freundschaft – bis Amir unbedingt bei einem Wettbewerb im Drachensteigen gewinnen will und etwas Schreckliches passiert.
Hassan wird von seinem Freund verraten. Als Erwachsener hat Amir die Chance, das Unrecht wiedergutzumachen. Die Handlung des Romans, der von dem afghanisch-amerikanischen Schriftsteller Khaled Hosseini verfasst wurde, umfasst knapp vierzig Jahre. Es ist eine wunderbare Geschichte die von bedingungsloser Freundschaft, Loyalität und Zivilcourage handelt.
Khaled Hosseini: “Drachenläufer”, Berliner Taschenbuch Verlag, 2008, 376 Seiten, 11,00 Euro.
“Nach dem Lesen hast du das Gefühl, dass jeder mit seinem Handeln die Welt besser machen kann.”
“Der Elefant, der das Glück vergaß”
Ines Ludewig, Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Soziales
Ein Buch, dass man perfekt zwischendurch lesen kann, während man auf die U-Bahn oder eine Verabredung im Park wartet. Es handelt von den wundervollen Weisheiten eines Mönches, die einem auch verregnete Tage erhellen.
Nach dem Lesen hat man das Gefühl, dass jeder mit seinem Handeln und Tun die Welt ein kleines Stückchen besser machen kann. Die lebensbejahenden Kurzgeschichten bringen einen dazu, seine Umwelt zu reflektieren und mit anderen Augen zu sehen.
Ajahn Brahm: “Der Elefant, der das Glück vergaß”, Lotos, 2015, 240 Seiten, 16,99 Euro.
“Nachricht von dir”
Atessa Bock, Redakteurin im Ressort Mensch und Umwelt
Als Madeleine und Jonathan am Flughafen zusammenstoßen, denken sie nicht daran, dass sie sich jemals wiedersehen könnten. Doch es kommt anders: Zu Hause angekommen, merken sie, dass sie versehentlich bei dem Crash ihre Handys vertauscht haben. Sie durchstöbern das Telefon des anderen und stellen fest, dass ihre Leben schon seit langer Zeit miteinander verbunden sind.
Die 460 Seiten fesseln auch Leser, die nur selten ein Buch zur Hand nehmen. Das liegt auch daran, dass der Autor Guillaume Musso einen Liebesroman geschrieben hat, der streckenweise zum Krimi wird.
Guillaume Musso: “Nachricht von dir”, Piper, 2013, 480 Seiten, 9,99 Euro.