Verdurstende Kinder, Zwangsehen, Terrorismus: In Kurzfilmen zeigten aus Afghanistan und Somalia stammende Regisseure am Sonntag beim Heimatfilmabend Ostafrika die harte Lebensrealität in ihrer Heimat. Einer von ihnen ist der Hamburger Student Nima Latifi.
Gerade ist das Licht im Raum wieder angegangen, die Bilder des Kurzfilms über Zwangsehen in Afghanistan wirken noch nach. „Wieso entscheidet denn der Bruder, ob die Frau heiraten darf? Hat er Macht über sie?“, hört man eine Frage aus dem Publikum im Gemeindezentrum St. Markus Hoheluft. Der Regisseur des Films, Nima Latifi, steht vorne – doch die Antwort kommt aus dem Publikum: „Ja!“ ruft eine Frau mit fester Stimme.
„Das ist meine Frau“, sagt Filmemacher Latifi lächelnd. Leila Mousavi steht auf und betritt ebenfalls die Bühne. Sie steht neben ihrem Mann und erklärt: „Im traditionellem Afghanistan trifft erst der Vater alle Entscheidungen für die Frau. Dann der Ehemann, der Bruder oder der Sohn.“ Ein Raunen geht durch den Raum.
Leila Mousavi ist zusammen mit ihrem Ehemann im November 2015 nach Deutschland gekommen. Kurz davor erschien der Film ihres Mannes „Qamar“ in Afghanistan. Darin kritisiert der 28-jährige Latifi die Zwangsehe. „Mir ist es wichtig, mit meinen Filmen Kritik zu äußern. Aber dieser Film hat zu einigen Problemen in meinem Heimatland geführt.“
Es ist nicht das erste Mal, dass seine kritische Kunst aneckt. Im Iran studierte er Film, musste das Land aber verlassen, bevor er seinen Abschluss machen konnte. „Der Regierung hat nicht gefallen, was ich so gemacht habe und ich wurde nach Afghanistan ausgewiesen.“ Heute studiert er an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) in Hamburg Filmwissenschaft, seine Frau studiert dort Malerei.
Grüner Reis und somalische Teigtaschen
Beim Heimatfilmabend diskutiert das Paar mit interessierten Hamburgern beim gemeinsamen Essen über das Leben in Afghanistan und im Iran. Zusammenkommen – das ist das Konzept der Veranstaltungsreihe. „Es ist wichtig, dass wir auf Augenhöhe mit Geflüchteten arbeiten“, sagt Dorothée von Diepenbroick, eine der Organisatorinnen.
Nach Deutschland geflüchtete Menschen wählen ihre Lieblingsfilme aus ihrer alten Heimat aus. Sie kommen aus Afghanistan, Deutschland, Eritrea, dem Irak, dem Iran, Kurdistan, Somalia, dem Sudan und Syrien, sind Asylsuchende, Geflüchtete, Eingewanderte. In kleinen Gruppen erarbeiten sie zusammen mit Ehrenamtlichen deutsche Untertitel. Das dauert für einen Film oft bis zu zwei Monate.
Fünf Filme rund ums Thema Ostafrika
Im Rahmen des Filmfest Hamburg werden nicht nur die Filme gezeigt, sondern auch über die Inhalte gesprochen, beim Essen. Die Teller der Gäste sind üppig belegt mit Reis, Hühnerkeulen und Sambusa, mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen. Der Duft von Curry, gebratenem Fleisch und süßen Pfannkuchen liegt in der Luft. Im Hintergrund spielt leise Musik aus Somalia.
Vor dem Essen wurden fünf Kurzfilme gezeigt, allesamt politisch. Sie zeigen die harte Realität in den Heimatländern: Ein Kind wird für wenige Schlücke Wasser erschossen. Ein zwölfjähriges Mädchen muss einen 50-jährigen Mann heiraten. Aber auch die Probleme in der neuen Heimat werden thematisiert: Ein junger Somali wird in Schweden von seinen Freunden dazu verführt, Khat zu kauen, eine Droge aus der Heimat.
Ein hoffnungsvolles Ende hat der Film „Watu Wote“, der vom Streit zwischen Muslimen und Christen in Kenia handelt. Als islamische Terroristen einen Bus überfallen und von den muslimischen Passagieren verlangen, die mitreisende Christin auszuliefern, zeigen diese Zivilcourage und verstecken sie. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte aus Ostafrika und hat 2017 den Studentenoscar gewonnen.
Auch „Qamar“, der Film über Zwangsehen in Afghanistan, wurde weltweit mit Preisen ausgezeichnet. „In meinem Film kämpfen drei Frauen gegen die traditionelle Kultur“, sagt Regisseur Nima Latifi. „Deshalb wurde ich oft als Feminist bezeichnet. Aber ich wollte nur Frauen für ihre Rechte kämpfen lassen.” Etwas, dass in seinem Herkunftsland und auch noch in der neuen Heimat Deutschland Aufmerksamkeit erregt.
Fünf Fakten zu Somalia
- Die somalische Küche ist von äthiopischen, jemenitischen, persischen, türkischen, indischen und italienischen Einflüssen geprägt.
- Der Tag in Somalia beginnt meistens mit Shaah, einem gesüßten Tee, ähnlich dem türkischen oder arabischen Chai. Dazu wird Canjeero gegessen: dünne Brotfladen, die an Pfannkuchen erinnern. Es geht deftig weiter mit Ziegenleber, einer Suppe aus Rindfleisch und Eiern in Tomaten-Zwiebelsoße.
- Somalis parfümieren ihre Häuser nach den Mahlzeiten. Dafür werden in einem Brenner Weihrauch oder Räucherstäbchen auf der Oberseite von heißer Holzkohle verbrannt. So duftet das Haus für Stunden.
- In Somalia leben etwa 15 Millionen Menschen (2018, Auswärtiges Amt), dabei ist das Land doppelt so groß wie Deutschland.
- 25 von 100 Bewohnern sind Nomaden oder Halbnomaden und ziehen mit Ziegen und Kamelen durch das weitläufige Land.