Schon lange nicht mehr im Theater gewesen? Damit sich das ändert, lädt die Gruppe “Uni trifft Theater” Studierende ins Ernst Deutsch Theater ein, um gemeinsam mit den Schauspieler*innen über die Stücke zu diskutieren.
Ein Mann sitzt in einem grauen Hosenanzug zusammengesunken auf einem Stuhl. Er ist allein und wimmert. Hinter ihm deutet sich ein gemütliches Zuhause an: ein Sofa, ein Klavier und ein Weihnachtsbaum. Der Mann vergräbt sein Gesicht immer tiefer in seine großen Hände und schluchzt immer lauter. Das Licht geht aus, der rote Samtvorhang schließt sich – das Theaterstück “Nora” ist vorbei.
Uni trifft Theater: Vom Stammtisch zum Foyer-Event
Ein paar Minuten später sitzen drei der Schauspieler*innen, die eben noch auf der Bühne standen, im Foyer. Sie diskutieren mit circa acht Studierenden darüber, wie ihnen das Stück gefallen hat. “Uni trifft Theater” heißt das Projekt, in dessen Rahmen dieser Austausch stattfindet. Seit sieben Jahren schauen Student*innen gemeinsam Stücke im Ernst Deutsch Theater und sprechen danach mit den Akteur*innen – auch über grundsätzliche Themen, die nur im entferntesten mit dem gezeigten Stück zu tun haben.
“Ursprünglich wurde ‘Uni trifft Theater’ gegründet, um die Studierenden dazu zu bewegen, ins Theater zu gehen und das Publikum vom Ernst Deutsch Theater etwas zu verjüngen”, sagt Sandra Meyer. Sie koordiniert seit drei Jahren das Projekt. Man habe Hamburger Studierenden einen Mehrwert bieten wollen. Gestartet sei man mit einem kleinen Stammtisch. Mittlerweile nehmen manchmal so viele Student*innen teil, dass sie vom von der Bar ins Theaterfoyer wechseln müssen.
Spiegelt das Stück die Realität wider?
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde geht es sofort um die Rolle der Nora und um ihren Ehemann Torvalt. Der nimmt seine Ehefrau nicht ernst, behandelt sie oft wie eine Puppe. Nora muss für Tovalt immer verfügbar sein. Hat er das Verlangen nach Unterhaltung, muss sie sich verkleiden und ihm etwas vorzutanzen. Ernsthafte Gespräche führt das Paar nicht. Torvalts einziges Interesse ist es, eine in der Öffentlichkeit vorzeigbare Frau an seiner Seite zu haben. Nora hat aber ein Geheimnis, was sie schleichend in die Verzweiflung treibt.
“Sind solche Beziehungen heute noch vorstellbar?”, fragt eine Studentin. “Ja, ich kenne das auch aus meinem Freundeskreis”, antwortet eine andere. Die Runde diskutiert über Emanzipation, ihre eigenen Erfahrungen und wie das Stück mit diesen Themen umgeht.
Bühnenbild und Rollen besser verstehen
Auch Julian Süßmann sitzt mit in der Runde. Er ist Dramaturgassistent im Ernst Deutsch Theater und mitverantwortlich für die Organisation des Projekts. “Was sagt ihr denn zum Bühnenbild?”, fragt er die Teilnehmer*innen. “Sehr reduziert und die Farbauswahl war nicht so mein Geschmack”, antwortet eine Studentin. Die anderen in der Runde nicken. Der gelbe Boden und das orangefarbene Sofa kommen nicht an. “Wir haben uns gedacht, dass ein gelber Boden an den goldenen Käfig erinnert, in dem Nora ja eigentlich lebt”, erklärt Süßmann. Selbst Hauptdarsteller Felix Lohrengel hat um diese Ecke nicht gedacht.
Die Darsteller*innen erhalten an diesem Abend auch viel Lob, vor allem Hauptdarstellerin Stella Roberts. “Deine Rolle hat mich am Anfang richtig genervt!”, sagt ein Student. “Das hast du richtig gut gemacht, Hut ab.” Für die Crew ist der Abend eine gute Gelegenheit für direktes Feedback. “Uns interessiert ja auch, was ihr wirklich denkt”, sagt Schauspieler Henry Arnold.
Nach gut einer Stunde endet die Diskussion. “Jetzt verstehe ich das Stück etwas besser”, sagt eine der Studentinnen.
Das Projekt war ursprünglich eine Kooperation des Ernst Deutsch Theaters und der Uni Hamburg. Allerdings sind alle willkommen, die in Hamburg studieren oder mal studiert haben. Die Teilnahme ist kostenlos.