Überstunden, Nachtdienste, Rufbereitschaft: Ärzte müssen rund um die Uhr alles geben. Ein eigener Tarifvertrag hat bislang für einen entsprechenden Rahmen gesorgt. Doch nun streiten Arbeitgeber und Gewerkschaft über dessen Fortbestand. 

So viele protestierende Ärzte gab es lange nicht mehr: Am Mittwochvormittag sind etwa 2.000 Ärzte und Ärztinnen für mehr Lohn und eigene Tarifverträge auf die Straße gegangen. Die Stationen von sieben Asklepios-Kliniken, dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und dem Universitären Herzzentrum blieben bis auf den Notdienst unbesetzt. Dafür trillerten die Mediziner in St. Georg mit ihren Pfeifen. “Müde Ärzte machen Vehler” oder “Keine Zeit zum Reden” hieß es auf den Transparenten. Zum eintägigen Warnstreik hatte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund aufgerufen.

Die geforderte Lohnerhöhung von fünf Prozent steht bei den Protesten aber nicht im Vordergrund, sagt Katharina von der Heyde, Geschäftsführerin des Marburger Bunds. “Uns ist wichtig, dass der eigenständige ärztliche Tarifvertrag erhalten bleibt.” Der sei jedoch durch das Tarifeinheitsgesetz bedroht. Der Rechtsgrundsatz gibt im Streitfall Mehrheitstarifverträgen Vorrang. Kleine Gewerkschaften wie der Marburger Bund könnten so verdrängt werden. Ein Szenario mit drastischen Konsequenzen.

Keine gute Arbeit ohne eigenständigen Tarifvertrag

“Ärztinnen und Ärzte, die Mitglied in einer Gewerkschaft sind, sind nahezu ausschließlich Mitglied beim Marburger Bund. Unser oberstes Ziel ist es, ihre Interessen zu vertreten. Dazu zählt, dass unsere Tarifforderungen und eigenständigen Verträge respektiert werden”, so von der Heyde. Der eigenständige Tarifvertrag sieht beispielsweise vor, dass die Mediziner an mindestens zwei Wochenenden im Monat frei haben. Denn: “Wer erschöpft ist, kann die Patienten nicht ausreichend versorgen.” Dies könne die Zustände in den Kliniken verschlimmern.

In den Tarifverhandlungen wird jedoch gestritten: Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) wirft der Ärztegewerkschaft in ihrem Positionspapier vor, ihren Vertretungsanspruch zu überreizen. So müsse man die Zuständigkeiten des Marburger Bunds stärker von den kommunalen Regelungen und der Verdi abgrenzen. Andernfalls sei der Tariffrieden gefährdet. Vonseiten der Arbeitgeber könne man eine Lohnerhöhung von über 2,5 Prozent sowie die Weiterführung des eigenständigen Tarifvertrags anbieten.

“Statt über Inhalte zu reden, hat der Marburger Bund sofort nach dem ersten Angebot der Arbeitgeber ohne weitere Verhandlungen aus verbandspolitischen und machtstrategischen Gründen die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt”, heißt es unter anderem in dem Papier. Die Ärztegewerkschaft würde falsche Behauptungen anstellen und provozieren.

Marburger Bund und Verdi sind sich einig

Von der Heyde hält dagegen: “Es geht uns weder um Verbandspolitik noch Machtspiele. Mit Verdi haben wir eine Grundsatzvereinbarung getroffen”, sagt die Geschäftsführerin. “Die einzige Partei, die sich querstellt, ist die VKA.” Es werde Zeit, dass die Arbeitgeberverbände die Stimmen ihrer Arbeitnehmer ernst nehmen.

Das letzte Mal hatten die Mediziner der neun Kliniken in Hamburg 2005 gestreikt, sagt von der Heyde. “Das ist auch für uns das letzte Mittel. Wir machen das bestimmt nicht leichtfertig.”

kil/dpa

Titelfoto: dpa/Daniel Reinhardt