Markus Bissinger ist Besitzer und Geschäftsführer zweier Unternehmen in der Schulverpflegung – eins in Deutschland, eins in Spanien. Seitdem Schulen aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen sind, arbeitet Markus für das Überleben seiner Unternehmen.

Geschichten einer Krise

FINK.HAMBURG hat 24 Menschen gefragt, wie sich ihr Leben durch die Corona-Krise verändert hat. Geführt haben wir die Gespräche via Skype, Zoom, im engsten Bekanntenkreis, denn wir mussten Abstand halten. Herausgekommen sind dennoch Nahaufnahmen von Hebammen, Lehrkräften, Krankenpfleger*innen, Studierenden. Sie zeigen, wie herausfordernd das Virus für den beruflichen und privaten Alltag ist und wie Neuanfänge gelingen.

Markus Bissinger erscheint im virtuellen Raum der Videokonferenz. Er sieht gesund aus, munter. Vielleicht trägt der leichte Rotstich der Webcam dazu bei, doch er sieht nicht nach jemandem aus, der die letzten Wochenenden und einige Nächte durchgearbeitet hat. Durchgearbeitet, um seine Unternehmen durch die Krise zu bringen.

Schulverpflegung neu denken

Markus hat Medizin studiert. Bevor er jedoch praktisch tätig wird, zieht es ihn ins Stiftungswesen. Er ist in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig, entwickelt Projekte und setzt sie in die Praxis um. So lernt er auch den Bildungsbereich genauer kennen und dessen Schwächen beim Thema Ernährung: „Mich hat es regelrecht geärgert, wie mit dem Thema Verpflegung, Ernährung und Gesundheit umgegangen wird“, erzählt er.
2014 gründet Markus deshalb in Mannheim das Unternehmen TasteNext. Er will das Thema Schulverpflegung neu denken. Dem Modellprojekt liegt ein innovatives Konzept zugrunde, das die ganztägige gesunde Ernährung von Schüler*innen in den Blick nimmt und Nachhaltigkeit, Ernährungsbildung und Inklusion einschließt. Ein Jahr später kommt die Deutsche Schule Madrid, die zu diesem Zeitpunkt neu strukturiert wird, auf Markus zu und bittet ihn, sein Konzept auch in Spanien umuzsetzen. Er zögert nicht lange und gründet sein zweites Unternehmen. Es entsteht das spanische Pendant zu TasteNext: delicom.

Alle müssen entlassen werden

Anfang März ist er in Madrid. Das Corona-Virus spielt noch keine Rolle. Niemand habe daran gedacht, dass Konsequenzen für den Schulbetrieb entstehen könnten, erinnert sich Markus. Kurz darauf tauchen die ersten Corona-Verdachtsfälle in Madrid auf. Der Schulbetrieb wird ausgesetzt, die Küche geschlossen. Markus reagiert schnell und befasst sich mit den rechtlichen Verhältnissen in Spanien. Die Konsequenz: Alle Angestellten seines Unternehmens in Spanien müssen entlassen werden.
Markus erzählt dies gelassen, wirkt jedoch gleichzeitig betroffen während er über seine Mitarbeiter*innen spricht. Er steht weiterhin in Kontakt mit seinem Team in Madrid, die ihn in seiner Entscheidung unterstützen. Eine Entlassung bedeutet dort immerhin, dass der Staat 80 Prozent des bisherigen Gehalts zahlt. Bis heute sei jedoch noch kein Geld angekommen, berichtet Markus. Sein Unternehmen unterstützt die Mitarbeiter*innen deshalb finanziell weiter.

Soforthilfeantrag auf mehreren Rechnern

„In Deutschland ging es relativ schnell“, erzählt Markus, „es war noch nicht ganz absehbar, dann hieß es zum 17. März müssen die Schulen geschlossen haben“. Er bereitet sofort alle Dokumente vor, um Corona-Soforthilfe zu beantragen. Als dann an einem Mittwochabend Ende März die Website für die Beantragung freigeschaltet wird, sind die Server jedoch sofort überlastet. Immer wieder füllt Markus das Online-Formular aus, irgendwann sogar von mehreren Rechnern aus. Er will das Ganze endlich über die Bühne bringen. Erst um Mitternacht schafft er es, das Formular bei der Handwerkskammer einzureichen – andere haben wahrscheinlich vorher aufgegeben. Sein Einsatz hat sich gelohnt: „Drei Tage später war dann auch schon der volle Betrag auf dem Konto. Das ist das, was uns jetzt erstmal rettet“.

Markus in seinem Unternehmen, noch vor Corona
Markus Bissinger in einem seiner Unternehem, vor der Corona-Krise. Foto: Markus Bissinger

Dann sitzt Markus in seinem Homeoffice und fragt sich, wie es mit seinem Unternehmen weitergeht. Laut Kultusministerium dürfen Schülerinnen und Schüler in der Mensa nicht mehr in einer Schlange stehen. Wie soll das gehen? Er entwickelt ein Konzept: Als Alternative schlägt er den Schulträgern vor Lunch-Paketen zu packen. In die einzelnen Tüten lassen sich auch Hygieneanregungen einpflegen. Oder ein Rätsel so vermitteln sie den Schülerinnen und Schülern, dass die Umstellung positiv sein kann.

Womit kann Markus momentan rechnen?

Normalerweise führt Markus in der Küche des Unternehmens Strategie- und Personalgespräche und sucht gemeinsam mit seinen Mitarbeiter*innen nach neuen Ideen. Eine flache Hierarchie ist ihm wichtig: „Ich bin auch mal in der Essensauslieferung mit dabei, wenn angepackt und Essen ausgefahren werden muss.“ Die aktuelle Situation bedeutet für Markus einige Stunden mehr am Tag arbeiten, früh morgens am Rechner sitzen, Anträge ausfüllen und Kalkulationen erstellen. Viel Büroarbeit konzentriert sich auf seine Person. Insbesondere für das Beantragen neuer Geldmittel müssen Liquiditätspläne aufgestellt werden. Aber womit kann er momentan rechnen? Wann und wie wird es mit dem Schulbetrieb weitergehen? Wird es eine Essensausgabe geben? Diese Unsicherheiten machen ihm zu schaffen; ähnlich wie das Gefühl, alleine zu agieren.

Die Skype-Konferenzen mit dem Kernteam des Unternehmens sind ihm deshalb besonders wichtig. Gemeinsam werden Ideen durchdacht, ergänzt oder geprüft. Mitte April fand ein Skype-Treffen statt, die Verpflegungstüten und der Speiseplan für den Einstieg wurden besprochen. Die Besprechung hat die Mitarbeiter*innen motiviert. Auch Markus tut es gut wieder eine Perspektive zu haben, auch wenn sie noch so klein ist.

Für ihn sind Krisenzeiten immer auch Chancenzeiten; zwar ein abgedroschener Spruch, doch er versuche ihn umzusetzen. Die Speisepläne zu überarbeiten und Rezepte zu verbessern, das kann eben auch ein Gewinn für die Zukunft sein er bleibt zuversichtlich.

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Titelbild: Markus Bissinger