An der US-Wahl kamen auch die User*innen von Social-Media-Plattformen nicht vorbei. Über Anti-Trump-Kampagnen, versteckte Wahlwerbung und Wahlbeteiligung: Wie Trump und Biden die junge Generation auf TikTok polarisieren.
TikTok zählt zu der am schnellsten wachsenden Social-Media-Plattform der letzten Monate. Allein im Mai wurde die App 72,8 Millionen Mal heruntergeladen und landete damit weit vor Instagram und Facebook. User*innen können kurze Videos aus Kategorien wie Tanzen, Unterhaltung oder Lernen auf ihre Profile hochladen. TikTok existiert seit Mai 2017 und gehört zum chinesischen Technologieunternehmen Bytedance. Monatlich kommen rund 37,2 Millionen aktive Nutzer*innen der Video-Plattform aus den USA, so der Stand im Februar. In den vergangenen Monaten diente ihnen die App nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Diskussionsplattform zu Themen wie der Black-Lives-Matter-Bewegung. Und auch die US-Wahl 2020 hat das Interesse der User*innen geweckt.
Die Macht einer Social-Media-Plattform
Es war die Auftaktveranstaltung zur Wahlkampagne von Donald Trump: Eine Million Menschen hatten die Republikaner, den Ticketanfragen nach, erwartet. Dabei passen in die Sportarena nur 19.000 Gäste. Doch anders als angenommen, blieben viele Ränge leer. Trump gab den Medien die Schuld daran, sie hätten die Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus geschürt. Dass TikTok mit den fehlenden Teilnehmer*innen zu tun haben könnte, ahnte er zu dem Zeitpunkt nicht. Zuvor hatten mehrere User*innen, unter anderem Mary Jo Laupp, die selbsternannte „TikTok-Oma“, ein Video auf der Plattform geteilt, in dem sie dazu aufriefen, Tickets für die Veranstaltung zu reservieren, aber die Veranstaltung nicht zu besuchen. „Reserviert Tickets und lasst ihn dann allein auf der Bühne stehen“, sagte Laupp in ihrem Video.
Über 700.000 Nutzer*innen gaben dem Video einen Like und teilten es über 130.000 Mal. Zudem soll es auch in Gruppen von Korea-Pop-Fans diese Aufrufe gegeben haben, wie die „New York Times” berichtete. Wer den Boykott letztlich gestartet hat und ob die Internet-Aufrufe wirklich etwas mit den leeren Rängen zu tun haben, ist unklar.
Trump fordert TikTok-Verbot in den USA
Donald Trump sprach sich immer wieder gegen die App mit Hauptsitz in China aus. Seine Sorge sei, dass chinesische Behörden über die App an Daten von US-Bürger*innen kommen könnten. Auch andere Regierungen kritisieren den Umgang mit den weltweit gesammelten Nutzerdaten. Deshalb drohte Trump die Plattform in den USA zu sperren, wenn TikTok seine US-Geschäfte nicht an ein amerikanisches Unternehmen verkaufen würde. Auch wird Bytedance vorgeworfen, Inhalte, die sich kritisch gegen die Politik der Regierung in Peking äußern, zu zensieren oder ihre Reichweite einzuschränken. Bis heute bestreitet das Unternehmen die Vorwürfe.
Im September berichteten verschiedene Medien, dass es einen Deal zwischen TikTok und den amerikanischen Konzernen Oracle und Walmart gäbe. Doch bisher liegt keine offizielle Bestätigung dafür vor. Nun heißt es, dass die App bis zum 12. November in US-Hände verkauft werden muss. Sonst plane die amerikanische Regierung den US-Betrieb von TikTok zu verbieten.
Extrem unterschiedliche Kandidaten, ein tief gespaltenes Land und ein Kongress, der in großen Teilen neu gewählt wird: Die US-Wahl 2020 ist in jeder Hinsicht historisch. Wie wichtig ist die Briefwahl? Was passiert in den kommenden Tagen? Und wird die Wahlbeteiligung so hoch ausfallen wie seit einem Jahrhundert nicht mehr? FINK.HAMBURG verfolgt für euch die Wahl und liefert Hintergründe, Erklärungen und Neuigkeiten, wenn es heißt: Trump oder Biden?
Online Wahlkampf und Wahlwerbung im großen US-Voting
Der mögliche Einfluss der TikTok-User*innen auf die Wahlveranstaltung von Trump in Tulsa deutet an, wie mächtig Soziale-Netzwerk sein können. So sehen auch politische Anhänger*innen die Möglichkeit, Wähler*innen für ihren Favoriten auf der Plattform zu gewinnen. Für junge Erstwähler*innen könnte das im Fall von TikTok interessant sein, denn 69 Prozent der weltweiten Nutzer*innen sind 16 bis 24 Jahre alt. Das ist vermutlich auch in den USA so, doch offizielle Statistiken hat TikTok dazu bisher nicht veröffentlicht.
Grundsätzlich ist bezahlte politische Werbung auf TikTok verboten – im Gegensatz zu anderen großen Social-Media-Plattformen wie Facebook. Diese würde sich sonst auf der „for-you-page“ finden, in der Videos von nicht gefolgten Kanälen ausgespielt werden. „Wir akzeptieren keine politische Werbung, weil diese unser Meinung nach nicht zu der Erfahrung passt, die unsere Nutzer*innen auf TikTok erwarten“, begründet das Unternehmen seine Entscheidung auf der eigenen Website. Politische Inhalte wie Meinungen oder Satire sind auf der Plattform jedoch erlaubt. „Gleichzeitig möchten wir TikTok als sicheren Ort bewahren, an dem sich Amerikaner*innen frei ausdrücken können.”
Das Biden vs. Trump-Duell auf TikTok: Wie sich die junge Generation für ihren Favoriten einsetzt
Über 462,6 Millionen Videos enthält der Hashtag „election2020“ auf TikTok, #trump2020 ganze 13,7 Milliarden und #biden2020 fünf Milliarden. Unter den Hashtags finden sich sowohl informative Videos als auch satirische Clips und klare Positionierungen. Besonders unter den Trump-Anhänger*innen fällt ein TikTok-Account auf: Das „Conservativehypehouse“ mit rund 1,5 Millionen Follower*innen. Dieser Account wird von mehreren TikTok-Creatorn mit pro Trump Inhalten bespielt.
Zwar darf auf TikTok offiziell keine bezahlte Wahlwerbung laufen, doch das Profil teilt eine Werbung, die dazu aufruft Trump zu wählen. Sie stammt von der Swamp Drainers Foundation, einer Organisation, die Spendengeld für den Wahlkampf von Trump sammelte. Das Video stellt Aussagen von Trump und Biden über China gegenüber und appelliert schlussendlich dazu, Trump zu wählen, da dieser sich klar gegen China ausspricht: Amerika würde sterben, wenn die USA China unterstützen würde, zeigt das Video (nicht mehr verfügbar) symbolisch.
Doch auch Inhalte, die nicht in direkter Verbindung mit Trump stehen, werden von dem „Conservativehypehouse“ geteilt. „These cops love you“ sagt Chris Swanson, Sheriff in Flint im US-Bundestaat Michigan in einem Video. Es zeigt, wie Swanson sich den Demonstrierenden der Proteste zu George Floyds Ermordung Ende Mai anschließt und seine Ausrüstung niederlegt. Das Video geht viral und zählt über 5,4 Millionen Views. Das „Conservativehypehouse“ postete es unter dem einzigen Hashtag „Trump2020“ und verbindet so die Positionierung des Sheriffs mit dem Republikaner – ohne dass es einen Kontext gibt.
Auch berichten einzelne Creator wie „Camhigby“ auf dem „Conservativehypehouse“-Profil über den Verlauf der Corona-Pandemie in den USA. Er versucht die Corona-Todesfälle vom 24. Oktober mit denen der Grippe zu vergleichen, um einen Artikel zu verteidigen, der erklärt, die Corona-Pandemie in den USA sei vorbei. Denn Trump verharmloste die Pandemie in den vergangenen Monaten immer wieder. Creator der Demokraten kritisierten diesen Artikel zuvor in einem Video (nicht mehr verfügbar) und stützen ihre Aussagen mit den steigenden Corona-Zahlen in den USA.
Das „Thedemhypehouse“, Anhänger*innen der Demokraten mit 213.000 Follower*innen, widersprechen dem gegnerischen Account: „Ich hoffe du korrigierst dieses Video, denn sonst führst du deine Follower gefährlich in die Irre“, sagte Creator „Victoriahammet“. TikTok reagierte auf keines der beiden Videos. Auch wurde keines mit einer Warnung zu Sicherheitsinformationen rund um die Corona-Pandemie versehen, wie es in Deutschland der Fall ist, wenn sich Inhalte mit dem Virus beschäftigen.
US-Wahl: Steigt durch TikTok die Wahlbeteiligung junger Menschen?
Die Nonprofit-Organisation „Bigtentcreative” schaltete auf TikTok Werbung, um Wähler*innen auf eine Wahlregistrierungswebsite namens „tiktokvoters.com” zu leiten. Denn Werbung, die nicht einer politische Richtung gilt, ist auf TikTok erlaubt. Creator sollen von der Organisation bezahlt worden sein, ihre Follower*innen zum Wählen zu animieren. Die TikToker*innen mit bis zu 1,9 Millionen Follower*innen, verlinkten dazu „tiktokvoters.com“ in ihren Videos, wie „Business Insider” berichtet. Bis zum 6. Oktober sollen sich über diesen Weg 21.000 Nutzer*innen zum Wählen registriert haben. 85,9 Prozent dieser registrierten Wähler*innen sollen unter 25 Jahre alt sein.
Wahlaufruf „Vote-Chain”: Die versteckte Anti-Trump-Kampagne
Doch die Kampagne von „Bigtentcreative” warf zwei Probleme auf. Ein Problem: Creator in der „Vote-Chain” wurde vorgeworfen Anti-Trump-Nachrichten verbreitet haben, wie der BBC berichtete. Damit verstießen sie gegen die Regelungen der politischen Werbung auf der Plattform. „Handlungsaufforderungen von gemeinnützigen Organisationen oder Regierungsbehörden können zulässig sein, wenn sie nicht von parteipolitischen Motiven getrieben werden”, schreibt TikTok auf seiner Website. “Bigtentcreative” soll von diesen Videos nichts gewusst haben.
Das andere Problem: Die Creator kennzeichneten ihre Videos der „Vote-Chain” nicht als bezahlte Werbung. Hunderttausende User*innen sahen die Videos, bevor das Soziale Netzwerk sie entfernte. Betrachter*innen könnten so in eine politische Richtung gelenkt worden sein. Am 16. Oktober löschte TikTok die politischen Anzeigen der Kampagne, die gegen die Community-Richtlinien mit Trump-Beleidigungen, wie „angry Cheeto” oder „orange Brussel sprout” verstießen und nicht als bezahlte Werbung gekennzeichnet wurden – zweieinhalb Monate nach Kampagnenstart.
Auch rechtsextreme Organisation wie die „Proud Boys“ und ähnliche Inhalte verbietet TikTok. Sie würden unter die „Hateful ideologies policy“ fallen, so das Unternehmen.
US-Wahlkampf und Wahlwerbung – das tut TikTok
Ende September startete TikTok eine eigene Kampagne zur US-Wahl 2020. Auf der „Entdecken-Seite“ integrierte die Plattform einen Banner, der zu einem „Election-Guide“ führte. Dieser ermöglichte User*innen sich von der App aus für die Wahlen zu registrieren. Auch wurden Informationen zu den einzelnen Kandidaten aufgeführt. Am Wahltag ergänzte TikTok den Guide mit Informationen zu den Wahllokalen und verlinkte auf die Website der US Election Assistance Commission (EAC). So wolle das die Nutzer*innen „zu wichtigen öffentlichen Belangen unterstützen“ und vertrauenswürdige Informationen liefern, heißt es auf der Website.
Die Plattform TikTok kann Wähler*innen in den USA mit ihren Inhalten beeinflusst haben. Wie viele sich über das Netzwerk zur US-Wahl registrierten und ob das zu einer höheren Wahlbeteiligung unter ihnen führte, ist unklar.
Titelbild: Pixabay