Egal, ob Weihnachtsfan oder Grinch-Fraktion – die Feiertage verbringen viele im Kreise der Familie. FINK-Redakteurin Sarah Seitz fährt dafür ins “Schwabenländle”. Ihr Hochdeutsch lässt sie dafür aber besser in Hamburg.
Bald ist Weihnachten. Für mich heißt das: Koffer packen und die sechsstündige Fahrt ins schöne Schwabenländle antreten. Mein Hochdeutsch lasse ich aber besser in Hamburg. Denn wenn ich meine Familie in der Nähe von Stuttgart besuche, sorge ich regelmäßig für Lacher. Aber nicht mit dem, was ich sage – sondern mit dem Wie.
Ein kleines Beispiel: Ein „Kannst du mir das Wasser geben?“ und meine Familie bricht in schallendes Gelächter beim Mittagessen aus. Hätte ich stattdessen gefragt, ob mir „mei Oma a mole do Sprudl gebba könnt“, hätte ich keinen Durst mehr, und meine Oma müsste sich nicht die Lachtränen aus dem Gesicht wischen. Mit grammatikalisch korrekten und deutlich ausgesprochenen Sätzen amüsiere ich meine Familie. Jedes Gespräch wird zur unfreiwilligen Comedy-Einlage. Unterhaltungshumor nennt man das.
Sarah, 26, Schwaben-Club-Aussteigerin
Dass sie mich auslachen, nehme ich meiner Familie nicht übel. Eigentlich finde ich es sogar sehr schade, nicht mehr dem Schwaben-Club anzugehören. Das Schwabenland ist schließlich meine Heimat. Hat man es aber erstmal über die Grenzen des Schwabenländles hinaus geschafft, muss man sich schon eingestehen, dass ein „Ha woisch, ´s Leba isch koi Schlotzer“ (übersetzt: “es ist nicht einfach”) weder besonders schön, noch allzu smart klingt. Höchstens niedlich.
Aber auch das ist Ansichtssache. Wann ich meine imaginäre Spätzlepresse und den Geizkragen an den Nagel gehängt habe, weiß ich nicht genau. Dass ich mittlerweile keine „richtige“ Schwäbin mehr bin, ist klar – dass ich nicht aus Hamburg komme, hört man allerdings auch. Meine Wortwahl sorgt regelmäßig für Verwirrung. Statt „halten“ sage ich zum Beispiel manchmal „heben“. Im Sinne von „Kannst du das mal heben?“. Übrigens nicht zu verwechseln mit: „Heb durch“ – das würde ja blöd klingen.
Schwäbisch “schwätza” als sprachliche Nomadin
Beim Mittagessen in der Heimat versuche ich auf mein verkümmertes Schwäbischvokabular zurückzugreifen, der Oma zuliebe. Wieder fängt meine Familie an zu lachen. Keine Ahnung, ob es diesmal an meiner Wortwahl oder der Aussprache lag. Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen “Sprache ist Identität”. Als sprachliche Nomadin gehöre ich wohl nirgendwo so richtig dazu. Da wäre es nur konsequent, auf Weltreise zu gehen: Dort finde ich vielleicht nicht nur mich selbst, sondern erweitere meine hybride Sprache auch noch um ein paar Anglizismen.