Die Hamburg Blue Devilyns spielen in der ersten Liga Football. Die Trainerinnen Nicole Manthey und Jessica Eckhardt leben und lieben die Sportart. Sie wollen noch mehr Frauen für Football gewinnen. Könnte gelingen: Ihre Begeisterung steckt an.
„Mein Montag ist frei, nichts mit arbeiten. So kann ich ausschlafen und schön den Super Bowl schauen“, sagt Jessica Eckhardt. In der Nacht von Sonntag auf Montag spielten die Tampa Bay Buccaneers gegen die Kansas City Chiefs im Finale der US-amerikanischen National Football League (NFL) gegeneinander. Der Super Bowl ist nicht nur ein Höhepunkt im US-Sport, es ist das größte Einzelsport-Event im Sportjahr. Die Tampa Bay Buccaneers gewannen 31:9, es war der insgesamt siebte Titel für Quarterback Tom Brady – damit hat er alleine so viele Siege im Super Bowl wie kein anderes Team der NFL.
Für Jessica Eckhardt war das Spiel trotz der späten Stunde ein Pflichttermin. Sie spielte jahrelang selbst Football, seit 2012 ist sie Trainerin bei den Hamburg Blue Devilyns. „Football ist für mich so interessant, weil es unglaublich taktisch ist. Man muss viel vorhersehen können, was der Gegner da gerade macht. Dazu muss man nicht nur körperlich fit sein, sondern auch geistig total konzentriert sein“, erklärt sie.
Die 36-Jährige begann 2003 mit dem Footballspielen. „Meine Eltern haben mich nie Fußball spielen lassen. Als ich dann mit Football angefangen habe, konnte ich es ihnen auch ein Stück weit heimzahlen“, erzählt sie lachend. Über eine Freundin kam Eckhardt zum Football-Training. Schnell war sie begeistert vom Sport. Nicole Manthey spielte damals schon ein Jahr lang Football. Eigentlich wollte sie nur eine Freundin zum Training begleiten. „Mit dem Ergebnis, dass die Freundin aus gesundheitlichen Gründen nicht spielen konnte und ich dann gespielt habe.“
Eckhardt und Manthey spielten einige Jahre zusammen im Team, 2009 hatte Manthey dann andere Pläne: „Ich habe aufgehört zu spielen, um die Damennationalmannschaft aufzubauen.“ Nachdem Manthey die Nationalmannschaft „vom weißen Papier auf den Platz“ gebracht hatte, kümmerte sie sich um die strukturelle Arbeit im Hamburger und Deutschen Football, indem sie an der Ausbildung für Trainerinnen und Trainer mitwirkte.
Für alle Frauen gibt es beim Football eine Position
Sie ist eine von zwei Frauen in Deutschland mit einer A-Lizenz, der höchsten Football-Trainer*innenausbildung. Ihre erste Aufgabe als Trainerin hatte sie bei den Blue Devils im Juniorenbereich, dort coacht sie auch heute noch. 2019 übernahm die 49-Jährige die Headcoach-Position der Frauenmannschaft. „Es gibt keine Sportart, die so integrativ ist wie Football. Ich finde es schön mit ganz unterschiedlichen Leuten auf dem Platz zu stehen: andere Körpergrößen, andere Körpergewichte. Für alle, die es wollen, gibt es eine Position, wirklich für alle, die sich bewegen wollen.“
Football ist für Coach Nick, wie Nicole Manthey im Verein genannt wird, außerdem eine sehr ehrliche Sportart. „Wir stehen zweieinhalb Stunden gemeinsam auf dem Feld und da ist nicht so viel mit verstecken. Da geht man wirklich an die Substanz, man geht an seine Grenzen und ein Stück drüber.” Football ist ein besonderer Kontaktsport, in jedem Spielzug treffen die Spielerinnen auf ihre Gegnerinnen, Körper gegen Körper. “Da kommt man ganz schnell zum ehrlichen Charakter eines Menschen. Wir kommen in Situationen, in denen wir gewinnen und in denen wir verlieren.” Das lässt sich für Manthey auch auf das Leben übertragen: “Ob beruflich oder privat, es gibt immer Höhen und Tiefen, und gemeinsam kommen wir da durch. Und das finde ich schön am Football.“ Deshalb ist für sie Football-Trainerin auch das Größte:
„Ich coache nicht nur den Sport, sondern ich coache auch das Leben.“
Auch Eckhardt, bei den Devilyns von allen Coach Jessy genannt, findet, dass Football ein Sport für alle ist: „Niemand wird ausgegrenzt, weil er oder sie zu klein oder zu groß, zu schmächtig oder zu kräftig ist. Alle können ihre Position finden und dort dem Team weiterhelfen. Jede Position ist im Football auch wichtig.“ Gerade Frauen, die sich eigentlich nicht für sportfähig halten, suchen die Devilyns händeringend. “Fünf der elf Spielerinnen sollten über 80 Kilogramm wiegen. Es ist für uns ganz schwer, diese Spielerinnen zu finden, die fühlen sich aber sehr selten von unseren Rekrutierungsversuchen angesprochen”, schildert Manthey.
Football in der ersten Liga
Seit 2007 gibt es bei den Hamburger Blue Devils eine Frauenmannschaft. Sascha Hinz ist Vorstand des Vereins. Als die Devilyns zu den Devils kamen, war er auch schon in der Vorstandschaft: „Wir bereuen nichts, die Devilyns haben sich sehr gut im Verein entwickelt. Wir wussten damals nicht genau, wie wir helfen konnten, haben aber gesagt, ihr könnt loslegen, und wir unterstützen euch bei allem, was ihr da machen wollt“.
Inzwischen spielen die blauen Teufelinnen in der ersten Liga. Der Weg dorthin war allerdings nicht leicht: Das größte Problem war immer, dass nicht genügend Spielerinnen im Team waren, auch Trainerinnen fehlten oft. Jessica hatte 2012 die Wahl: Entweder zerfällt das Frauenteam oder sie geht in den Trainer*innen-Stab. Seither ist sie für die Defensive zuständig, als sogenannte Defensive-Koordinatorin. In der zweiten Liga, der untersten deutschen Frauen-Liga, wird auch nur neun gegen neun gespielt. Deshalb freuten sich auch alle über den Aufstieg, 2019 können die Frauen endlich wieder richtig elf gegen elf spielen. Dabei stehen in der Offensive und Defensive immer andere Spielerinnen auf dem Platz, ein Team besteht deshalb aus verschiedenen Teams. Alle Spielerinnen brauchen unterschiedliche Fähigkeiten. Im Regelbetrieb trainiert das Team zwei Mal draußen, zusätzlich noch einmal in der Halle. Dazu kommen Theorieeinheiten, um die verschiedenen Spielzüge zu lernen. Jessicas Spielerinnen in der Abwehr müssen ein Spielbuch mit ungefähr 40 Seiten auswendig können.
Mehr positive Reaktionen als blöde Sprüche
Dass auch Frauen Football spielen, wissen viele nicht: „Es gibt viele Geschichten von Spielerinnen, die unverschämt angesprochen wurden: ‘Das ist ja lieb, dass du deinem Freund die Ausrüstung zum Training trägst.’ Es gibt immer paar Leute, die einfach Idioten sind, aber die lässt man einfach links liegen”, berichtet Eckhardt von ihren Erfahrungen. Allerdings gibt es mehr positive Reaktionen.
“… keine Neandertaler, die meinen, es muss aufgeteilt sein, wer welche Rolle übernimmt“.
Viele, denen Eckhardt vom Football erzählt, finden das spannend. “Bewundernde Reaktionen erlebe ich häufiger als negative. Das mag aber auch daran liegen, dass um mich herum vernünftige Leute sind. Und keine Neandertaler, die meinen, es muss aufgeteilt sein, wer welche Rolle übernimmt.”
„Ich habe in meinem Email-Postfach einen Ordner, der heißt Idioten. Wenn ich mal schlecht drauf bin und Inspiration brauche, dann lese ich die mir durch. Das sind Leute, die mir die Fähigkeit absprechen, Coach zu sein. Das passiert leider immer noch“, erzählt Manthey über Reaktionen zum Frauen-Football. Ihr waren blöde Sprüche schon immer egal: „Ich bin da sehr resistent, ich habe aber auch mehr positive Reaktionen erhalten.“
Die Strukturen im Frauen-Football sind immer noch im Aufbau. “Wie bei vielen Sportarten wird die Entwicklung des Frauensports nicht besonders gut gefördert. Der Bundesverband könnte viel mehr machen“, erzählt Manthey. Vorstand Hinz pflichtet ihr bei: „Frauen Football wird eher stiefmütterlich behandelt.“ Jugend-Teams gibt es keine, bis 16 Jahren spielen die Mädchen bei den Jungs. „Jungen und Mädchen sind in dem Alter aber viel zu unterschiedlich, die Mädchen sind meistens deutlich reifer. Deshalb halten viele gar nicht durch, bis sie mit 16 Jahren bei den Frauen spielen dürfen. Dort ist dann das Problem, dass die Unterschiede zu den älteren Spielerinnen wieder sehr groß sind“, beschreibt Manthey ihre Erfahrungen.
Blue Devils kooperieren mit der NFL
Dass Football in Deutschland gerade boomt, spürt Vereinsvorstand Hinz: „Bei den Jugendlichen merken wir das nicht so sehr wie erhofft, dafür bei den Erwachsenen.“ Als einziger Kooperationspartner der großen NFL gehen die Blue Devils an Hamburger Schulen und spielen mit den Kindern und Jugendlichen Flag-Football, eine kontaktlose Variante des Sports. „Das Projekt hätten wir gerne fortgesetzt, pausiert aktuell durch Corona leider. Die Kinder sind dort richtig begeistert von Football und kennen sich bombastisch aus“, freut sich Manthey.
Den Super Bowl hat Manthey aufgenommen und erst am nächsten Tag geschaut: „Die Teams interessierten mich nicht so.“ Für Eckhardt und Hinz kam das überhaupt nicht in Frage, das Spiel schauten sie live. „Ich habe mit einem Freund den Grill angeschmissen, mit Wings und Spareribs“, sagt Hinz. Eckhardt sagte schon vor dem Spiel, dass sie die Trainerbrille nicht ganz ablegen kann: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so eindeutig werden würde, aber der Sieg der Buccaneers geht völlig in Ordnung. Zum einen haben die Chiefs zu viele Fehler gemacht und zum anderen wirkte es so, dass die Coaches der Bucs sich einfach besser vorbereitet haben.”
Eckhardt und Manthey bleibt noch genug Zeit, sich auf die anstehende Saison vorzubereiten. Ende April ist das erste Spiel geplant – solange es die Corona-Pandemie zulässt.
Titelbild: Christian Fenneberg