Sozial und akademisch abgeschnitten – so fühlt sich FINK.HAMBURG Autorin Victoria täglich vor ihrem Laptop, wenn ihr WLAN im Homeoffice mal wieder streikt. Ist die Beziehung zu ihrem Router noch zu retten?
„Entschuldigung, falls ihr mich gleich nicht mehr hört. Meine Verbindung ist heute wieder sehr schlecht“ – so beginne ich fast jede meiner Wortmeldungen über Zoom. Dabei ist mittlerweile bestimmt allen virtuell anwesenden Menschen bewusst, dass mein Router und ich nicht das beste Verhältnis zueinander haben. Beziehungsstatus: Es ist instabil.
Schlechtes Internet hat mich natürlich schon vor Corona viele Nerven gekostet. Zum Beispiel, wenn sich das Menü vom Lieferservice zu langsam öffnet, oder ich nicht schnell genug auf die „First come, First serve“-Tickets klicken kann. Doch während der Pandemie, in der nichts planbar und alles improvisiert ist, gleicht meine schwache Verbindung einer stillen Folter vor dem Bildschirm. Schließlich bin ich den ganzen Tag auf das Internet angewiesen, um zu arbeiten und meine sozialen Kontakte am Leben zu erhalten.
Wenn sich die Verbindung zum nächsten Meeting beschwerlich aufbaut, steigt bei mir die Spannung: Wer fliegt heute zuerst aus dem Call, meine Mitbewohnerin oder ich? Reicht es für eine Videoübertragung? Oder muss ich stundenlang auf dutzende kleine Standbilder starren?
Die letzte Verbindung nach Außen
An guten Tagen freue ich mich, wenn mehr als drei Pixel auf meinem Screen erscheinen. Die Begeisterung vergeht aber so schnell, wie sie gekommen ist, wenn der eigentliche Endboss die Zoom-Arena betritt: der Ton. Verzerrte, gedoppelte und stockende Stimmen sind zum festen Bestandteil meines digitalen Alltags geworden. Resignation macht sich breit. Ich stelle mittlerweile keine Nachfragen mehr, wenn mein Laptop einen experimentellen Technomix produziert, statt klare Worte zu übertragen. Würde ich für jede verpasste Information ein Mbit pro Sekunde bekommen, hätte ich wohl mittlerweile das beste Homenet der ganzen Stadt.
Mein Router ist ein sehr eigenwilliges Gerät: starrsinnig, nervig – und offenbar eifersüchtig. Der Verdacht: Durch dauerhaft gedrosseltes Internet versucht er, auch meine letzten sozialen Kontakte zur Außenwelt zu kappen. Will er mich schlichtweg für sich haben? Allein surfen ist nämlich durchaus möglich: Für einen Netflix-Abend ist meine Verbindung eigentlich immer zu haben.
Es liegt nicht an mir, es liegt an ihm
Einmal habe ich meinen Router betrogen – mit einer WLAN-Verbindung im ICE von Hamburg nach Wien, die deutlich besser funktioniert hat als meine eigene. Das ist ein großer Schritt für die Deutsche Bahn, aber ein Armutszeugnis für meinen Router. Er dient eher als unliebsame Deko statt als guter Freund in Krisenzeiten.
Am liebsten würde ich die Beziehung natürlich noch in dieser Sekunde beenden, und mich nach einem neuen digitalen Begleiter umsehen. Anders als bei zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es in diesem Fall aber leider eine zweijährige vertragliche Mindestlaufzeit – und die endet erst im März.
Titelillustration: Victoria Szabó