Noch sind die Clubs und Bars offen. Sollen sie es bleiben oder nicht? FINK.HAMBURG-Redakteur Jan-Eric Kroeger findet: Tanzen gehen ist sicher genug, wenn man sich an die Regeln hält.
Die Corona-Inzidenzen in Deutschland lagen zuletzt bei über 450 – so hoch wie nie zuvor in der Pandemie. Zwar sind sie innerhalb der letzten drei Tage leicht gesunken, trotzdem stellen sich immer mehr Partypeople die Frage: Ist Feiern während einer Pandemie ok, wenn die Schlange vorm Club kürzer zu sein scheint, als die vor der Notaufnahme?
Ich bin wie 76,6 Prozent der Bürger:innen vollständig geimpft, ich habe keine Vorerkrankung. Ich möchte solidarisch sein. Aber was heißt das überhaupt? „Solidarisch“, also „für jemanden einstehen“ oder sich „gegenseitig verpflichtet“ sein, so definiert der Duden das Wort. Die meisten Erwachsenen von den 23,4 Prozent ungeimpften Hamburger:innen haben die Bedeutung dieses Wortes offensichtlich nicht verinnerlicht. Sie treiben die Inzidenzen nach oben – und das aus Gründen, die ich oft nicht nachvollziehen kann.
Genau zwei Jahre nach dem weltweit ersten bestätigten Corona-Fall – es war der 1. Dezember 2019 – müssen wir als Gesellschaft schmerzlich feststellen, dass wir nur schleppend Fortschritte machen auf dem Weg in ein normales öffentliches Leben. Schon wieder werden erneute Kontaktbeschränkungen oder gar Lockdowns diskutiert.
Würden Schließungen auch für Geimpfte umgesetzt, wäre dies gerade für junge Menschen ein Schlag ins Gesicht. In der Hansestadt sind Clubs und Bars seit genau drei Monaten für Geimpfte und Genesene geöffnet.
Worum geht es uns eigentlich?
Zuletzt galt die 2G-Regel in Clubs und Bars. Nur Geimpfte oder Genesene dürfen rein. Und die Kontrollen sind streng. Zu groß ist die Angst, durch eigene Nachlässigkeit harte Strafen und die Schließung durch Behörden zu riskieren.
Ganz risikofrei ist ein Besuch trotzdem nicht: Geimpfte können das Virus noch in sich tragen und verbreiten. Dennoch sind Impfdurchbrüche, also Infektionen mit Symptomen unter Geimpften, selten. Unter Hamburger:innen liegt die Anzahl von Impfdurchbrüchen pro 100.000 Geimpften in den letzten sieben Tagen bei 24. Insgesamt liegt die Quote von Impfdurchbrüchen seit Beginn der Impfkampagne laut der Sozialbehörde bei 0,37 Prozent (Stand: 30.11.).
Am Dienstag gab der Senat bekannt, dass Clubs und Bars ab sofort zusätzlich gültige Schnell- oder PCR-Test-Kontrollen beim Zutritt gewährleisten müssen, das sogenannte 2G-Plus-Modell. So wird ein noch besseres Monitoring möglich.
Bessere Vorkehrungen sind nun nur noch umzusetzen, indem PCR-Tests zur Pflicht würden. Zumal es mittlerweile nicht mehr darum geht, sich nicht zu infizieren. Über kurz oder lang ist dies unvermeidbar. Da wir alle auch in der Zukunft mit dem Virus leben müssen, geht es eher darum, schwere Verläufe zu verhindern und Menschen vor dem Tod zu bewahren. In Hamburgs Krankenhäusern, wo medizinisches Personal genau das versucht, mussten Mediziner:innen bis zum 15. November bei fast 1,4 Millionen Menschen mit Doppelimpfstatus nur in 32 Fällen eine intensivmedizinische Behandlung einleiten.
Schwachpunkt Ungeimpfte
Es steht außer Frage, dass Ungeimpfte die Ursache der hohen Infektionszahlen sind. Sie setzen sich, sofern sie sich absichtlich dem Impfangebot verweigern, vorsätzlich dem Risiko aus, eine schwere Corona-Erkrankung durchstehen zu müssen. Und zwar überall dort, wo sie unter Menschen sind. In Restaurants, im Nahverkehr, am Arbeitsplatz. Die Impfverweiger:innen werden sich so oder so infizieren. Unabhängig davon, ob Geimpfte und zusätzlich negativ getestete Menschen tanzen gehen oder nicht.
Für 2G-Plus-Nachtschwärmer bleibt es daher eine persönliche Entscheidung, ob sie sich dem eigenen, geringen Restrisiko einer Infektion und dem noch viel geringeren Risiko von Komplikationen aussetzen möchten. Erst recht, wenn Sie zusätzlich von zu Hause arbeiten und den Kontakt zu Risikogruppen – wie Eltern und Großeltern – vorerst meiden. Zumindest so lange, bis sie eine dritte Impfung bekommen haben.
Wieder Einschränkungen im Austausch für ausbleibende Solidarität?
Ich verstehe den Reflex, bei einem hohen Infektionsgeschehen Schließungen von Vergnügungsstätten zu fordern, persönlichen Verzicht zu praktizieren und Verantwortungsbewusstsein zu demonstrieren. So hat es uns die Pandemie in den vergangenen fast zwei Jahren gelehrt. Doch mittlerweile haben wir die Mittel, um unter Auflagen eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten – durch das 2G-Plus-Modell an Club- und Bareingängen sogar sicherer als an vielen anderen Orten.
Und was ist die Alternative? Von nun an mindestens ein Mal jährlich, nämlich im Winter, auf soziale Kontakte verzichten oder das öffentliche Leben wieder gar komplett herunterfahren? Auf diesem Weg Solidarität mit denjenigen an den Tag zu legen, die der Mehrheit die Solidarität verweigern?
Eine Gleichung, die nicht aufgeht. Solange wir keine höhere Impfquote erreichen, ist eine nachhaltige Senkung des hohen Infektionsniveaus nicht möglich. Für viele junge Menschen bedeuten eine turnusmäßige Einschränkung des Soziallebens zudem andere gesundheitliche Gefahren: Eine stark angeschlagene Psyche.
Nun, wo das öffentliche Leben in der Hansestadt zurückgekehrt ist, sollte es hier also weiterhin möglich sein, am Wochenende unter den gegebenen und zukünftig verschärften Rahmenbedingungen am Nachtleben teilzunehmen.
Warum ihr schlechtes Gewissen sie inzwischen vom Feiern abhält, kommentiert Katharina Böhmer hier.