Buchhändlerin Natalia Banakh sitzt auf einem Stuhl und zeigt ukrainische Bücher
Buchhändlerin Natalia Banakh sitzt auf einem Stuhl und zeigt ukrainische Bücher. Foto: Laura Reichhart

Ukrainische Bücher nach Hamburg bringen – so helfen die Buchhändlerin Natalia Banakh und ihr Mann Lutz Heimhalt, damit Geflüchtete ein Stückchen Heimat in der Ferne wiederfinden. Andere Akteur*innen der Literaturszene ziehen nach.

von Laura Reichhart

Die Mittagssonne fällt durch die Schaufenster einer kleinen Buchhandlung in Fuhlsbüttel und lässt sie in Blau und Gelb erstrahlen. Egal wo man auch hinsieht, die Farben der ukrainischen Flagge sind fast überall: auf der Spendenbox an der Kasse, auf dem Geschenkpapier hinterm Tresen und an der Brosche von Natalia Banakhs Blazer. Die Buchhändlerin sitzt in einem Sessel. Um sie herum ein Meer aus Büchern. Viele davon sind aufeinandergestapelt, noch nicht in die Regale einsortiert. Zum Teil liegen sie in offenen Kartons, die erst vor kurzem aus der Ukraine hierher gebracht wurden.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine macht sich auch in Hamburg bemerkbar. FINK.HAMBURG hat dazu in der Serie “Ukraine in Hamburg” Reportagen und Porträts von Betroffenen zusammengestellt. In der Schule und im Ballett, unterwegs mit einer geflüchteten Influencerin und einem Tennisprofi aus Kiew – FINK.HAMBURG zeigt unterschiedliche Herausforderungen und Perspektiven, die mit dem Krieg zusammenhängen.

Der Buchladen in Fuhlsbüttel gehört zu den wenigen Buchläden in Hamburg, die über ukrainisch-sprachige Literatur verfügen, sagt Natalia. Sie stammt selbst aus der Ukraine. Über deutsche Verlage sei es aktuell noch schwer an solche Bücher zu kommen. Die Nachfrage sei aber nun besonders groß, vor allem nach Kinderbüchern. Viele Schulen und Kindergärten aus Hamburg kooperieren daher mit der Buchhandlung.

Natalia schenkt der Ukrainerin Hanna ein ukrainisches Kinderbuch. Foto: Laura Reichhart
Ukrainische Bücher können direkt im Laden abgeholt werden. Die Ukrainerin Hanna kauft ein Buch für ihren Sohn. Foto: Laura Reichhart

„Sie können die Familien nicht für immer trösten und die Kinder fortwährend beschäftigen, aber es ist eine erste Therapie und ein Zeichen, dass wir die Sprache schätzen“, sagt Natalia – und währenddessen tritt eine junge Frau in den Buchladen. Hanna ist 40 Jahre alt und zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn aus Kiew nach Deutschland geflüchtet. Die Frauen sprechen auf Ukrainisch miteinander. Sichtbar fällt einige Anspannung von der ukrainischen Mutter ab, als sie in ihre Muttersprache wechseln kann. Lutz Heimhalt, der Ehemann von Natalia und Besitzer des Buchladens, erzählt, dass viele ukrainische Geflüchtete auch einfach nur für einen Plausch vorbeikommen. „Eigentlich sind wir mittlerweile ein deutsch-ukrainisches Kulturzentrum geworden“, sagt er lächelnd.

Solidaritätswelle: Spenden für ukrainische Bücher

Direkt nach Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine suchten Kund*innen Kontakt zum Buchladen. Viele wissen, dass Natalia selbst aus der Ukraine kommt und wendeten sich deshalb an sie. Einige brachten Geld oder Sachspenden vorbei. „Eine Kundin legte ihren Schlüssel für ihr Haus auf den Tresen und sagte: Hier, gebt es den Geflüchteten als Unterkunft, in der Zeit, in der wir in Urlaub sind“, erzählt Natalia. Sie hatte anschließlich die Idee, Bücher aus der Ukraine nach Hamburg liefern zu lassen. Erst durch finanzielle Spenden konnte sie das realisieren.

Für das Ehepaar war es zunächst schwierig jemanden zu finden, der die Bücher aus dem Kriegsgebiet über die polnischen Grenzen zu ihnen in die Buchhandlung fährt. Durch eine Anzeige auf der Website “Help4Ukraine e.V.” sind sie auf Andrji aufmerksam geworden. Seine eigentliche Mission: aus Deutschland Medikamente und Verbandsmaterial an die Front in die Ukraine zu fahren. Schnell habe er sich bereit erklärt, die Bücher aus Natalias Heimatstadt Iwano–Frankiwsk (Івано-Франківськ) nach Hamburg zu liefern, erzählt Natalia.

So kommen die ukrainischen Bücher nach Hamburg

Der gebürtige Ukrainer bekommt für seine Fahrten 150 Euro aus der Spendenkasse. Mit gespendetem Geld werden auch die Bücher in der Ukraine eingekauft. Beraten wird sie bei der Bücherauswahl von Olga Derkachova. Sie ist Doktorin der Philologie und Professorin der Abteilung für Grundschulpädagogik an der Nationale Wassyl-Stefanyk-Universität der Vorkarpaten in der Heimatstadt von Natalia.

Gemeinsam fertigen die Ukrainerinnen eine Bücherliste an. Die Professorin besorgt die Ware in den Buchläden vor Ort oder bestellt sie bei ukrainischen Verlagen. Zumindest bei solchen, die noch arbeiten können. Die Bücher kommen über teilweise verwüstete Straßen an ihr Ziel. Einige der Bücher kommen aus stark umkämpften Gebieten nach Fuhlsbüttel. Laut Natalia Banakh kamen bisher vier Bücherlieferungen aus der Ukraine an.

Olga Derkachova sitzt vor Kartons mit gesammelten Büchern in Iwano – Frankiwsk. Foto: Laura Reichhart
Olga Derkachova sitzt vor Kartons mit gesammelten ukrainschen Büchern in Iwano – Frankiwsk. Foto: Laura Reichhart

Auf jede Lieferung sind Natalia Banakh und ihr Mann Lutz Heimhalt stolz. Das Paar verschenkt die gekauften Bücher aus der Ukraine an Geflüchtete, die oft kaum noch finanzielle Mittel haben. An Organisationen mit Etat, etwa die Bücherhallen Hamburg, werden die Bücher verkauft. Die Spendenwelle sei in den letzten Wochen abgeebbt, sagt Natalia traurig. Sie hofft, dass wieder mehr Spenden zusammenkommen, sodass sie weitere Lieferungen durchführen können.

Ein Pixi-Buch für geflüchtete ukrainische Kinder

Die Spendenaktion der Buchhandlung in Fuhlsbüttel blieb nicht unbemerkt. In den Medien wurde darüber berichtet. So wurden auch Verlage und Autor*innen auf Natalia Banakh und Lutz Heimhalt aufmerksam. Viele von ihnen wollen helfen, kooperieren oder spenden.

Der Hamburger Carlsen Verlag hat ein Pixi-Buch für geflüchtete ukrainische Kinder herausgegeben. “Pixi bekommt Besuch” erzählt von Heimatverlust und Neuanfängen. Über den lokalen Buchhandel wurden 30.000 kostenlose Exemplare verteilt – auch an die Buchhandlung in Fuhlsbüttel.

Der deutsche Autor Martin Ferfers ließ sein im Selbstverlag herausgegebenes Bilderbuch „Träum schön, Siggi Sternenschläfer“ ins Ukrainische übersetzen, als er von der Spendenaktion von Natalia Banakh und ihrem Mann Lutz Heimhalt erfuhr. Er spendete 200 Exemplare davon an die Buchhandlung. Die Bücher werden jetzt an geflüchtete Kinder und Familien verschenkt.

Das Regionalnetzwerk Bücherfrauen in Hamburg will 1000 Euro für die Aktion der Buchhandlung in Fuhslbüttel spenden, sagt Lutz Heimhalt. Die Bücher, die aus der Ukraine in die Buchhandlung kommen, kosten zwischen fünf Euro und 28,50 Euro. Solange Spenden vorhanden sind, kann diese Aktion auch weitergehen, sagt Natalia. An der Kasse steht eine kleine Spendenbox – da darf Jede*r etwas reinwerfen.

„Es bleibt wenig für sich selbst übrig am Ende des Tages“

All das hinterlässt jedoch auch Spuren bei Natalia Banakh. Sie wirkt im Laufe des Tages immer müder. Neben dem alltäglichen Verkauf in der Buchhandlung kümmert sie sich hauptsächlich um die Organisation der Bücher aus der Ukraine, übersetzt deutsche Bücher in die ukrainische Sprache und führt viele private Telefongespräche mit ukrainischen Geflüchteten. Sie suchen bei ihr Hilfe. Die 47-Jährige ist gelernte klinische Psychologin. Zudem kümmert sie sich um ihre Eltern, die vor kurzem aus der Ukraine geflohen sind und zurzeit bei ihr wohnen.

Viele ihrer Aufgaben erledigt sie nach Ladenschluss. Ihr Terminplan ist voll. Zeit für sich bleibt da wenig. „Aber solange ich agieren kann, fühle ich mich wohl. Ich weiß, dass es etwas Gutes bewirkt, wenn man jetzt Bücher in der eigenen Sprache bekommt.“

Ukrainische Bücher: Empfehlungen von Natalia Banakh

  • Oksana Sabuschko: „Museum der vergessenen Geheimnisse“
  • Jurij Andruchowytsch: “Moscoviada” (Es geht tatsächlich um das Verhältnis von Russland und der Ukraine)
  • Olga Kobyljanska: “Die Erde”
  • Vasyl’ Stus: “Ausgewählte Werke”
  • Lesiya Ukrainka: “Für Kinder”