Zwei Monate vor dem G20-Gipfeltreffen stellt die Polizei Gebäude unter Objektschutz, sichert Reviere mit Stacheldraht und intensiviert ihre Öffentlichkeitsarbeit. Ein Blick auf die laufende Vorbereitung und das Stimmungsbild.
Mittagszeit im Karoviertel. Ein geschäftiger Mann im Anzug geht eilig vorbei. Wenn man ihn auf den bevorstehenden G20-Gipfel anspricht, antwortet er mit einer abwinkenden Handbewegung und ohne stehenzubleiben, dass er am 7. und 8. Juli aus Hamburg “flüchtet”. Ihm sei schon der Trubel beim Treffen des Ministerrats der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zuviel gewesen.
Aber nicht jeder, der will, kann so einfach die Stadt verlassen. Und das OSZE-Treffen im Dezember war nur der Vorgeschmack. Damals sorgten 13.000 Polizisten für Sicherheit, im Juli sollen es 15.000 sein. “Die Maßnahmen rund um den G20-Gipfel stellen den größten Einsatz in der Geschichte der Hamburger Polizei dar”, so Polizeisprecher Timo Zill. Neben 4000 gewaltbereiten Linksradikalen werden auch 150.000 friedliche Demonstranten erwartet.
In Harburg hat die Polizei einen Lebensmittelgroßhandel in ein Gefängnis auf Zeit umgebaut. Dort sollen auffällige Demonstranten in Gewahrsam und Straftäter festgehalten werden, bevor sie in ein Untersuchungsgefängnis kommen. Betroffene sollen vor Ort Zugang zu Anwälten bekommen, teilt die Polizei mit.
“Reizobjekte” werden geschützt
Die Polizei überwacht schon seit Anfang April die Messehallen und die Elbphilharmonie, beides Veranstaltungsorte und daher Ziel möglicher Angriffe. Konkrete Hinweise auf bevorstehende Straftaten gibt es laut Polizeisprecher Ulf Wundrack nicht: “Trotzdem ist es unerlässlich, Gebäude und mögliche Ziele bereits früh zu schützen”, sagte er auf Anfrage von FINK.HAMBURG.
An den Messehallen ist es soweit noch ruhig. An allen Eingänge stehen Polizisten. Während Polizeichef Jan Reinecke im Interview mit der “Heilbronner Stimme” von einem möglichen “Pulverfass” spricht, sieht Pressesprecher Wundrack die Sache eher gelassen: “Wir bereiten uns professionell vor – wie sonst auch. Es ist zwar eine andere Dimension, aber deswegen fangen wir auch jetzt schon an.”
Eine interaktive Karte mit aktuellen Informationen zu Schutzzonen und Kontrollstellen soll dabei helfen, der Hamburger Bevölkerung den Ausnahmezustand so einfach wie möglich zu machen. Das Bürgertelefon für den G20-Gipfel ist ebenfalls seit Anfang April freigeschaltet und kostenlos unter 08000-428650 erreichbar. In einem NDR-Beitrag erklärte der Senat, bisher noch nicht mit den umliegenden Krankenhäusern in Kontakt getreten zu sein. Gespräche hierfür stünden allerdings bevor. Aus Nachfragen der „ZEIT“ beim Universitätsklinikum Eppendorf und der Asklepios-Klinik geht hervor, dass die beiden Krankenhäuser für Großveranstaltungen und ihre Folgen gut gerüstet sind. Beispielsweise haben sie ihre Blutkonserven aufgestockt. Beiersdorf nutzt die Gelegenheit, um am 7. Juli für die 2500 Mitarbeiter in Eimsbüttel ein Homeoffice-Experiment zu starten. Mehrere Schulen planen, an diesen Tagen einen Wandertag einzulegen oder ihren Schülern frei zu geben.
Eine Einschätzung der gesamten Einsatzkosten will die Polizei nicht geben. Der G7-Gipfel auf Schloss Elmau hat 116 Millionen Euro gekostet. Allerdings war dort eine kleine Gemeinde abzusichern und keine Großsstadt. Der Bund wolle sich mit 50 Millionen Euro an den Kosten für Sicherheitsmaßnahmen für den Gipfel beteiligen, schreibt das “Hamburger Abendblatt”. Außerdem sind 185 Millionen Euro im Bundeshaushalt für weitere Ausgaben vorgesehen.
Wie ist die Stimmung im Karoviertel?
Bei einem Gang durch das Karoviertel hat sich FINK.HAMBURG in der Bevölkerung umgehört.
Eine Position, die in linken Vierteln vermutlich durch viele WGs geistert, wird von Jan K. (28) vertreten. Er sitzt auf der Wiese bei der “Keimzelle”, einem Sozialgarten für alle. Schnell wirkt er aufgebracht: “Für mich brennen die Autos nicht umsonst. In unserer Welt ist so vieles verkehrt und die Politiker und Politikerinnen, die da angereist kommen, sind für viel Ungerechtigkeit verantwortlich”, findet er und fährt fort: “Oder zumindest schauen sie untätig zu, obwohl sie die Macht haben, es zu ändern.”
Maria S. wohnt zwar in den Elbvororten, kommt aber gerne auf einen Kaffee ins Karoviertel. “Wenn man sich anschaut, dass jetzt schon Polizeiautos brennen, ist Vorsicht immer besser als Nachsicht”, sagte die 69-Jährige. Ihre Tochter Gabriela (38) sitzt kopfschüttelnd daneben, rührt in ihrem Kaffee und widerspricht. Die Produktdesignerin wohnt schon seit beinahe zehn Jahren in der Nachbarschaft und hält die Maßnahmen für übertrieben: “Ich sehe nur, wie in den nächsten zwei Monaten Steuergelder umsonst verschleudert werden.”