Mögliches Ende eines kuriosen Langzeit-Prozesses: Die Staatsanwaltschaft forderte am Montagabend dreieinhalb Jahre Haft für den Ex-SPD-Sprecher Bülent Ciftlik. Ihm wird unter anderem die Anstiftung zur Scheinehe und falscher uneidlicher Aussage vorgeworfen.
Die Ankläger sahen es als erwiesen an, dass sich der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete der SPD Hamburg in insgesamt acht Einzeltaten, darunter auch Urkundenfälschung sowie eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz, schuldig gemacht hat.
Ciftlik soll laut Staatsanwaltschaft “erhebliche kriminelle Energie” an den Tag gelegt haben, um die Vermittlung einer Scheinehe zwischen seiner damaligen Kurzzeitfreundin und einem Türken zu vertuschen. Er habe unter anderem vom E-Mail-Konto der Frau gefälschte Nachrichten verschickt, um den Verdacht auf sie zu lenken. Außerdem soll er mehrere Personen angestiftet haben ihn durch Falschaussagen zu entlasten.
Bülent Ciftlik galt als Shootingstar der Hamburger SPD und wurde wegen seines Charisma der “Obama von Altona” genannt. Von 2004 bis 2009 stieg der “Vorzeige-Migrant” aus Altona vom Sprecher von Olaf Scholz bis zum Bürgerschaftsabgeordneten auf. Aktuell arbeitet Ciftlik als Gastronom in Ottensen.
Der 45-jährige äußerte sich am Montag vor Gericht nicht und ließ auf sein Plädoyer verweisen, dass die Verteidigung voraussichtlich am 16. Juni vorlegt. Ein Urteil könnte 19. am Juni fallen.
Filmreife Prozess-Historie
Der Fall Ciftlik beschäftigt die Justiz bereits seit sieben Jahren und drei Prozessen. Hier die Historie:
2010: Beim ersten Verfahren wurde Ciftlik wegen der Scheinehe-Vorwürfe vom Amtsgericht St. Georg zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt. Das stellte das politische Ende des SPD-Erfolgskandidaten dar. Ciftlik bestritt die Vorwürfe und ging, wie auch die Ankläger, in Berufung. 2012: Anschließende Ermittlungen führten im zweiten Prozess zu weiteren Anklagepunkten vor dem Landesgericht. Ciftlik wurde im Urlaub nach einem Autounfall in Indien festgehalten und konnte wochenlang nicht an der Verhandlung teilnehmen. Weil Fristen für eine Unterbrechung des Prozesses überschritten wurden, platzen die Verhandlungen nach 16 Monaten. 2015: Nach dem Scheitern des zweiten Anlaufs, musste der Fall im Oktober 2015 ein drittes Mal aufgerollt werden. Dabei wurden an einem Verhandlungstag bis zu 50 Zeugen vorgeladen.cho/dpa