Tauben, Igel, Eichhörnchen – in Hamburger Tierheimen werden inzwischen mehr Wildtiere als Hunde oder Katzen abgegeben. Nicht immer ist die gut gemeinte Hilfe wirklich notwendig.
Im Großraum Hamburg werden immer mehr Wildtiere heimisch. Die Stadt bietet mittlerweile über 50 Säugetier- und etwa 160 Vogelarten einen Nist- und Lebensraum. Dennoch existieren in Ballungsgebieten, in denen Mensch und Tier auf engem Raum zusammenleben, viele Gefahren: Junge Vögel fallen aufgrund des Stadtlärms aus ihren Nestern, Laubsauger zerstören den natürlichen Lebensraum von Kleintieren, Tauben krachen gegen Fensterscheiben und Wildtiere werden von Autos angefahren.
Finden Passanten ein verletztes oder scheinbar verwaistes Tier, sind sie häufig unsicher, ob und wann ihre Hilfe erforderlich ist. Oft kommt es zu Fehleinschätzungen.
Oftmals ist Tierliebe zu gut gemeint
“Viele Leute denken, das Tier ist ja noch so klein, das muss ich erstmal aufsammeln, da ist bestimmt keine Mutter mehr”, sagt Kathrin Hallmeyer vom Hamburger Tierschutzverein, der das zweitgrößte Tierheim Deutschlands und die größte Wildtierstation im Norden betreibt.
„Wie viele davon tatsächlich hilfsbedürftig sind, ist nicht immer klar einzuschätzen“, sagt Sven Fraaß, Diplom-Biologe und ebenfalls Mitarbeiter im Hamburger Tierschutzverein. Die Schilderungen der Finder entsprechen dabei nicht immer der Verfassung der Tiere. Igel, die als apathisch beschrieben wurden, erweisen sich nachher als putzmunter – oder ein krankes Röcheln stellt sich als arttypisches Fauchen heraus.
Gerade im Herbst werden immer mehr Wildtiere ins Tierheim gebracht. „Die Anzahl aufgenommener Igelbabys variiert mitunter stark. Im letzten Jahr haben wir 442 Igel in unserem Tierheim aufgenommen“, sagt Fraaß. Im Durchschnitt sind das drei Igelbabys pro Tag. Mehr als 60 Prozent davon hätten die Vollpension im Tierheim jedoch gar nicht gebraucht.
Was tun, beim Auffinden von Wildtieren?
Die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz hat ein Merkblatt erstellt, welches konkrete Antworten auf die häufigsten Fragen unsicherer Passanten bietet:
Zunächst wird geraten, sich vom Tier zu entfernen und das Verhalten aus der Ferne zu beobachten. Jungtiere wirken verlassen, werden aber von den Eltern oft noch versorgt. Auch Vögel, die gegen eine Scheibe geflogen sind, erholen sich zumeist rasch wieder. Vollständig behaarte oder befiederte, unverletzte und gesunde Jungtiere sind dabei erst nach einigen bis vielen Stunden der fehlenden Betreuung als verwaist einzuschätzen. Und wenn doch dringend Hilfe erforderlich ist, gibt die Behörde Auskunft, welche Institutionen und Personen je nach Tierart kontaktiert werden sollten.
Sven Fraaß rät zudem: „Wenn es ganz dringend ist, helfen wir telefonisch unter 22 22 77 gerne weiter.” Auf der Homepage des Hamburger Tierschutzvereins kann man sich regelmäßig über den aktuellen Stand der abgegebenen Wildtiere informieren. Nachdem im Jahr 2016 4.820 Wildtiere aufgenommen wurden, schätzt der Verein, dass die Anzahl in diesem Jahre die 5.000er-Grenze wohl klar übersteigen wird.