Unter dem Hashtag #12hPEZ gab die Polizei auf Twitter Live-Einblicke in die Notrufzentrale. Wie ein Arbeitstag dort aussieht, wozu das Ampelmodell dient und warum die 110 immer noch die erste Wahl ist, erklärt der Social-Media-Leiter der Polizei Hamburg im Interview.
Eine weiße, unscheinbare Tür irgendwo auf den Fluren der Polizeidirektion Hamburg. Auf ihr steht „PEZ“, die Abkürzung für “Polizeieinsatzzentrale”. Dahinter: ein riesiger Raum mit 150 Bildschirmen, hoher Decke, bodentiefe Fenster und durch die Schreibtischreihen huschende Polizisten. Hier kommen Hamburgs Notrufe an. Alle.
Von hier aus twitterte das Social-Media-Team der Polizei Hamburg am Freitag unter dem Hashtag #12hPEZ fast alle Notrufe, die zwischen 14.00 und 2.00 Uhr nachts eingingen. Insgesamt wurden 801 Notrufe angenommen, 857 Einsätze koordiniert und 536 Tweets geschrieben. Nur ein paar Tweets konnten aus ermittlungstaktischen Gründen erst später veröffentlicht werden.
“So kann der Bürger sehen, wieviel los ist”
Im März führte die Hamburger Polizei die Live-Aktion das erste Mal durch. “So kann der Bürger sehen, wie viel los ist und wie viele unterschiedliche Aufgaben wir draußen vor Ort wahrnehmen”, erklärt Ulf Wundrack, Pressesprecher der Polizei Hamburg. Mit großem Erfolg, wie die Reaktionen in den sozialen Netzwerken und in den Medien zeigten. Die Idee zu #12hPEZ stammt übrigens ursprünglich von den Social-Media-Kollegen aus Berlin.
Doch wie sieht die Arbeit der vier Mitarbeiter des Social Media-Teams aus, wenn sie nicht gerade live aus der Notrufzentrale twittern? FINK.HAMBURG hat mit Tobias Greve, 36, Kriminalhauptkommissar und Mitglied des Hamburger Social-Media-Teams gesprochen.
FINK.HAMBURG: Bevor wir über die Arbeit sprechen – wie wird man eigentlich Social-Media-Manager bei der Polizei Hamburg?
Tobias Greve: Das ist bei uns allen Vieren Zufall gewesen. Facebook wurde von der Polizei lange nebenbei betrieben. Als dann noch Twitter hinzukam, hat man jedoch schnell erkannt, dass das nicht funktioniert, und man Leute braucht, die sich darauf konzentrieren und ausschließlich damit beschäftigen. Ich selbst hatte keine Vorkenntnisse oder Erfahrungen, denn ich war vorher bei der Kriminalpolizei im Landeskriminalamt. Dort habe ich vor allem Fälle mit Schwerstkriminalität bearbeitet, zuvor sieben Jahre Sexualdelikte. Aber ich hatte Lust mich zu verändern und Ideen für die Social-Media-Arbeit. Deshalb bin ich dann ins Social-Media-Team gewechselt.
FINK.HAMBURG: Und wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Tobias Greve: Morgens haben wir zunächst eine Besprechung und gucken, was in der Nacht oder am Vortag passiert ist und welche Geschichten sich zum Aufbereiten für Social Media eignen. Grundsätzlich twittern wir alle Pressemitteilungen und erstellen auch eigene Inhalte. Natürlich wurden wir am Anfang an der kurzen Leine gehalten. Nach und nach haben wir uns Vertrauen erarbeitet und können nun frei entscheiden, was und wie wir twittern. Im Kopf haben wir jedoch ein Ampelmodell. Die „grünen“ Geschichten verantworten wir selbst, bei „Gelb“ gehen wir eine Stufe höher und fragen den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Und bei „Rot“ entscheidet der Polizeipressesprecher. Der würde bei kritischen Geschichten nochmal mit dem Polizeipräsidenten in Kontakt treten.
FINK.HAMBURG: Wie frei sind Sie dabei mit Gifs und Emojis zu arbeiten?
Tobias Greve: Da sind wir recht frei. Da muss man auch ein Händchen für haben und wissen, was zu Social Media passt. Was geht und was nicht. Wie wir die Inhalte aufbereiten, ist dann unsere Sache.
FINK.HAMBURG: Die Polizei Hamburg ist ja bei Twitter und Facebook vertreten. Wie sieht es mit anderen Kanälen aus?
Tobias Greve: Natürlich gucken wir, was so die Entwicklung auf dem Markt ist. Snapchat haben wir für uns so bewertet, dass wir es nicht machen wollen. Der Kanal ist für uns einfach zu kindlich, zu unseriös – nicht geeignet daher. Instagram beobachten wir. Da sind wir noch in der Findungsphase.
FINK.HAMBURG: Wir haben gesehen, dass die Polizei Schleswig-Holstein oder die Kollegen aus Thüringen auf die #12hPEZ in Hamburg aufmerksam gemacht haben. Arbeiten Sie mit den Social Media-Teams der anderen Länder zusammen?
Tobias Greve: Man kennt sich untereinander. Zu manchen hat man persönlichen Kontakt, andere sieht man einmal im Jahr, denn da treffen sich die Social-Media-Teams aus ganz Deutschland, zu einem Barcamp oder Workshop, um “Best Practices” durchzusprechen. Natürlich haben wir uns auch zum Beispiel den Einsatz beim Amoklauf in München angeguckt und lernen von der Social-Media-Arbeit der anderen Teams. Da ist schon ein Zusammenhalt da.
FINK.HAMBURG: Gibt es darüber hinaus feste Notfallpläne für die sozialen Netzwerke?
Tobias Greve: Ja, es gibt ein Grundschema, eine sogenannte Alarmierungskette, wie man in Extremsituationen am besten vorgeht. Das ist alles vorgeplant.
FINK.HAMBURG: Als Social Media-Manager hat man ja einen ganz anderen Kontakt zur Bevölkerung als etwa ein Streifenpolizist. Da gibt es viele, teils sehr extreme Kommentare. Wie verarbeitet man das?
Tobias Greve: Man muss schon ein dickes Fell haben. Und wissen, dass viele einfach nur schreiben, um etwas geschrieben zu haben. Wer die Trolle sind, lernt man mit der Zeit. Wenn die negativen Kommentare zunehmen, ist das natürlich demotivierend. Man fragt sich dann, ob das noch ein soziales Netzwerk ist oder mittlerweile ein asoziales. Ich muss mir dann immer wieder sagen, dass die guten User, um die es uns geht, immer noch in der Mehrheit sind.
FINK.HAMBURG: Gab es denn schon Situationen, die eskaliert sind? Wenn ja, was machen Sie da als Social-Media-Manager?
Tobias Greve: Wenn es über eine gewisse Schmerzgrenze geht, das heißt Provokationen oder Hetze stattfinden, dann blocken wir auch. Das wollen wir dann nicht bei uns sehen. Und wir blocken ja keine Menschen, denn jede Person kann sich einen neuen Account zulegen und hat dann vielleicht bessere Laune oder hält sich dann vielleicht etwas mehr zurück.
FINK.HAMBURG: Wie sieht denn das restliche Feedback aus? Erreichen Sie viele Hinweise über die sozialen Medien? Oder sogar Notrufe?
Tobias Greve: Wir bitten immer darum, keine Hinweise über die öffentlichen Netzwerke mitzuteilen. Es könnte ja zum Beispiel auch den Täter warnen, dass es eine neue Ermittlungsspur gibt. Trotzdem hat letztens ein Facebook-Kommentar zur Lösung eines Falls der Einsatzgruppe “Cold Cases” beigetragen. Der war jedoch nicht so eindeutig formuliert. Die Ermittler sind hellhörig geworden und haben dann mit dem Kommentator Kontakt aufgenommen. Hinweise sollten aber lieber per Mail an uns gesendet werden. Social Media sollte man auch nicht als Notrufzentrale missbrauchen. Es ist besser die 110 anzurufen, denn dann kann der Kollege oder die Kollegin am Telefon direkt die wichtigen Informationen erfragen.
Als Teil der 110-Kampagne gilt auch die #12hPEZ-Aktion der Polizei Hamburg. Das sind die Highlights der Notruf-Tweets:
Hier sind die Highlights von #12hPEZ.
Wir hoffen ihr konntet einen Einblick in unsere Arbeit gewinnen & hattet auch etwas Spaß dabei. pic.twitter.com/AcPXaPDDmm— Polizei Hamburg (@PolizeiHamburg) 13. November 2017