Was wäre, wenn alle Mitarbeiter des Hamburger Thalia Theaters zusammen einen Film machen würden? Unter der Regie von Daniel Lommatzsch haben sie es ausprobiert. Das Ergebnis ist der Film “Am Ende ist man tot” und in ihm dreht sich alles um das eine: Geld.
Am 3. Juli feiert das Langzeit-Filmprojekt „Am Ende ist man tot“ von Daniel Lommatzsch im Abaton-Kino Premiere, am 5. Juli ist offizieller Kinostart. Für den Film standen fast ausschließlich Mitarbeiter des Thalia Theaters vor und hinter der Kamera. FINK.HAMBURG hat Lommatzsch getroffen und mit ihm über den Film und sein Debut als Regisseur gesprochen.
FINK.HAMBURG: „Am Ende ist man tot“ ist der erste Film, bei dem Du Regie geführt hast. Eigentlich bist Du Schauspieler. Wie kam es zu dem Sprung hinter die Kamera?
Daniel Lommatzsch: Ich habe schon mit 13 Jahren davon geträumt, Filme zu drehen und habe sehr hartnäckig auf einer alten Schreibmaschine rumgetippt und Drehbücher geschrieben. Nach der Schauspielschule wollte ich eigentlich Filmregie studieren. Dann kam aber das tolle Angebot, ans Schauspielhaus Zürich zu gehen. Schauspieler zu werden war also wahrscheinlich der schönste Umweg in meinem Leben. Der Wunsch, Geschichten zu erzählen und dafür Filme zu machen, war aber schon immer da.
Hast Du Dich in der Rolle des Regisseurs nun auch wohlgefühlt?
Ich hab mich vorher mal gefragt, ob es ein Problem werden könnte, Kollegen zu inszenieren. Aber das war dann gar kein Thema. Ich wollte ja auch unbedingt jeden einzelnen dieser großartigen Schauspieler dabei haben und habe konkret für sie geschrieben. Außerdem hat sich auch hinter der Kamera ein unfassbar tolles Team zusammengefunden. Jedenfalls habe ich es sehr genossen, mich auf etwas konzentrieren zu können, für das ich verantwortlich bin.
Der Cast besteht fast ausschließlich aus Schauspielern des Thalia Ensembles, mit dem Du selbst oft auf der Bühne stehst. War es schwer, nicht selbst eine Rolle vor der Kamera einzunehmen?
Nein. Allerdings habe ich mich als ein toter Bruder auf Fotos in den Film gemogelt.
Was für Probleme wirft ein Projekt auf, das so gezielt für seine Mitwirkenden entwickelt wurde?
In erster Linie war es sehr inspirierend für Kollegen zu schreiben, die man als Künstler und als Menschen schätzt. Manchmal habe ich die Dramaturgie dabei etwas überstrapaziert, weil ich am liebsten jeden in einer großen Rolle dabei gehabt hätte.
Wie gut hat die Zusammenarbeit mit dem Thalia Theater funktioniert?
Die liebevolle und freiwillige Unterstützung des gesamten Theaters war überwältigend. Und dass Intendant Joachim Lux das an seinem Haus unterstützt hat, war fantastisch. Ich denke, der Film ist auch ein Zeugnis der Zeit, die ich am Thalia Theater als Teil eines sehr besonderen Ensembles erlebt habe.
Warum ist „Am Ende ist man tot“ so ein besonderes Projekt?
Mit der Unterstützung des Thalia Theaters haben wir einen Film gemacht, der nur durch Spenden und Crowdfunding finanziert wurde. Das gab es so noch nicht. Dabei ist ein Film entstanden, in dem man sehr viele Theaterschauspieler gemeinsam vor der Kamera sieht. Die Spielweise verheimlicht auch nicht, dass der Film aus dem Geist des Theaters geboren ist. Außerdem hat er eine sehr eigene Komik.
Worum geht es in dem Film?
Eine Tochter aus reichem Hause wird entführt. Als Zweifel an den Umständen der Entführung aufkommen, machen sich ihre drei Geschwister auf die Suche nach ihr. Dabei kommen sie einem Familiengeheimnis auf die Spur. Gleichzeitig wandern drei Geldscheine, die die Entführer als Pfand für einen gemieteten Bungalow hinterlegen müssen, durch viele Hände. Die Figuren, die einem auf der Spur des Geldes begegnen, sind also alle durch Schulden miteinander verbunden. Und ihre Beziehungen untereinander sind wiederum durch diese Schulden bestimmt. Das Geld verbindet alle und alles.
Warum ausgerechnet Geld als zentrales Thema?
Ich bin in Othmarschen groß geworden, einem Hamburger Stadtteil, in dem genug Geld da ist. Je älter ich wurde, desto deutlicher habe ich gespürt, dass das Geld die Beziehungen zwischen Menschen definiert. Weil das oft so selbstverständlich hingenommen wird, fand ich es reizvoll, das Groteske daran zu erkunden und sichtbar zu machen. Irgendwann habe ich das „Philosophische Quartett“ im ZDF geschaut. Im Zusammenhang mit der Schuldenkrise hat dort jemand eine Geschichte von Menschen erzählt, die alle in einem Schuldenkreislauf miteinander verbunden sind. Da wusste ich: Das wird mein Ausgangspunkt. Ich will Episoden erzählen, deren Figuren alle durch Schulden verbunden sind. Schulden und Schuld, also Geldschulden und Schuldgefühl, das Verhältnis hat mich interessiert.
Wen wird der Film wohl nicht begeistern?
Ich hoffe, er begeistert alle. Aber man sollte sich zurücklehnen und sich auf die skurrilen Situationen einlassen, durch die der Film führt. Der Plot ist bei diesem Film nicht das Wichtigste. Er ist eher Anlass für die Begegnung mit allerhand Figuren, die mit der Tatsache umgehen müssen, dass Geld zwar nicht alles ist – aber leider oft alle.
Als Regisseur musst Du Dich zum ersten Mal mit direkter Filmkritik auseinandersetzen. Wie gehst Du damit um?
Ich freue mich, dass wir mit „Am Ende ist man tot“ jetzt dort ankommen, wo der Film hingehört: im Kino. Wenn Filmkritiker darüber schreiben, finde ich zunächst spannend, was sie in dem Film sehen und weniger, wie sie ihn finden. Aber wenn die meckern, muss ich das eben aushalten.
Wo wird man Dich in Zukunft finden – vor oder hinter der Kamera?
Sowohl als auch, hoffe ich. „Am Ende ist man tot“ war ein überforderndes, beglückendes und unaufhörlich lehrreiches Ding. Aber das Projekt war auch Wahnsinn und Wildwuchs. Es gibt ein paar Stoffe die ich dramaturgisch sorgfältiger entwickelt habe und die ich jetzt realisieren will – und zwar finanziert. Ohne Geld rühre ich in Zukunft keinen Finger mehr, hoffe ich. Auf die Arbeit als Schauspieler zu verzichten, kann ich mir aber gerade nicht vorstellen. Dafür mache ich das inzwischen zu gerne.