“Shéhérazade” erzählt die Geschichte einer jungen Liebe. Jean-Bernard Marlin, Regisseur des französischen Films, hat dafür Jugendliche ohne Schauspielerfahrung engagiert. Der Hauptdarsteller kommt direkt aus der Haft.

Ein Schwenk durch die Innenstadt: Elektronische Musik hinterlegt die Bilder von verfallenen Häusern und Menschen in dreckiger Kleidung. Das sind die Slums von Marseille. Es gibt Gangs und junge Mädchen, die sich prostituieren.

Der 17-jährige Zachary, der gerade aus der Jugendhaft entlassen wurde, trifft auf Shéhérazade, eine alte Bekannt aus der Schule, die ihren Körper verkauft. Er verliebt sich in sie, würde alles für die junge Frau tun – und trifft auf großes Unverständnis bei seinen Freunden.

Das Drama des französischen Regisseurs Jean-Bernard Marlin zeigt eine brutale Alltagswelt. Mittendrin: Zwei junge Menschen, die um ihre Liebe kämpfen. Trotzdem ist “Shéhérazade” eine Geschichte über Hoffnung und eine aufrichtige Liebe zwischen zwei Jugendlichen, die gegen Widerstände kämpfen.

“Die Darsteller spielen ihr wahres Ich”

Der Filmemacher Jean-Bernard Marlin beschäftigte sich bereits vor diesem Langfilmdebüt in seinen Kurzfilmen mit Gewalt. Diesmal verbrachte er viel Zeit in den Slums von Marseille und engagierte im Anschluss Jugendliche aus der Gegend ohne jegliche Schauspielerfahrung. Sein Ziel: Das wahre Gesicht der dunklen Seite Marseilles zeigen. “Das geht nur, wenn ich Darsteller wähle, die mit ihrem Aussehen, ihrer Mimik und Gestik authentisch sind.” Ein zwei-monatiger Theaterworkshop musste genügen.

Regisseur Jean-Bernard Marlin (v. l.), Dylan Robert und Idir Azougli verstehen sich am Set als auch privat super. Foto: Shahrzad Rahbari
Regisseur Jean-Bernard Marlin (v. l.), Dylan Robert und Idir Azougli verstehen sich am Set und privat super. Foto: Shahrzad Rahbari

Hauptdarsteller Dylan Robert kam gerade aus der Jugendhaft und ging direkt ins Theater, wo die Übungen stattfanden. “Für mich war es nicht schwer, das alles zu lernen, weil ich die meiste Zeit in meiner eigenen Realität gespielt habe und ich selbst war”, sagt er.

Inspiriert wurde der Regisseur vor allem von der Realität, die von Gewalt und der Prostitution durch Minderjährige geprägt ist. “Ich möchte zeigen, was sich auf den Straßen abspielt, ohne etwas schön zu reden. Über die Lage der Jugendlichen verliert keiner ein Wort, vor allem nicht in der Kombination mit naiver Liebe”, so Marlin. Auch Religion und Nationalität spielen eine wichtige Rolle. Sogar die Prostitutionsszene sei danach aufgeteilt. Es gebe beispielsweise muslimische und bulgarische Gangs.

Förderung von nicht-profitorientierten Projekten

Dass er hauptsächlich mit unprofessionellen Darstellern arbeitet, ist laut Marlin im Filmgeschäft eher unüblich: “Hier ist die Branche für die reichen und professionellen Leute. Genau das möchte ich verändern. Hätte ich ‘Shéhérazade’ nicht produziert, wären diese Kids wahrscheinlich nicht auf die Leinwand gekommen. Aber genau diese Talente, die echt und authentisch sind, müssen gefördert werden.” So wolle er einen Beitrag zur Demokratisierung der Filmszene leisten. Dabei steht der finanzielle Erfolg nicht im Vordergrund.

SHÉHÉRAZADE Bande Annonce

“Ich hänge immer noch im Viertel rum”

Das Schicksal der jungen Shéhérazade beschäftigt den Zuschauer. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich viele der Mädchen mit ihrer Rolle arrangiert zu haben scheinen, so der Regisseur. “Sie sehen es als Reiz an, junge Männer verführen zu können. Ihrem wahren Schicksal sind sich viele nicht bewusst.” Sozialarbeiter setzen sich deshalb für mehr Perspektiven der Jugendlichen ein.

Der Alltag von Hauptdarsteller Dylan Robert habe sich nach den Dreharbeiten zum Film nicht wirklich verändert: “Ich trinke immer noch Capri-Sonne und hänge mit den selben Kollegen im selben Viertel rum.” Trotzdem sehe er sein Leben jetzt mit anderen Augen und möchte Jugendliche ermutigen, ebenfalls bei Projekten mitzuwirken. “Das hat mir sehr geholfen und ich glaube, wenn man erstmal an sich glaubt, schafft man alles”, so der junge Mann.

Der Film wurde übrigens nach der Geschichtenerzählerin in “Tausendundeine Nacht” benannt, um den starken Charakter der Prostituierten Shéhérazade zu betonen. Immerhin schafft es die Figur in der Sammlung morgenländischer Erzählungen jede Nacht zu überleben.