Die Corona-Pandemie brachte den Flugverkehr zwischenzeitlich komplett zum Erliegen. Für die Umwelt war das kurzfristig positiv. Tatsächlich ist die Krise der Luftfahrt aber keine gute Nachricht. Denn die Forschung an alternativen Antrieben wird zurückgeworfen.
Die Corona-Krise hatte die internationale Luftfahrt über Wochen nahezu lahmgelegt. Im April gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang im Personenflugverkehr um 98 Prozent. Umweltbewusste Menschen freute das. Sie hoffen auch langfristig auf positive Folgen für das Klima. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die ökonomische Krise gefährdet ökologische Innovationen in der Luftfahrt.
Fliegen ist mit Abstand die umweltschädlichste Art der Fortbewegung. Laut Umweltbundesamt werden bei einer Reise von Deutschland aus auf die Malediven, Hin- und Rückflug zusammengerechnet, pro Person etwa fünf Millionen Tonnen CO2 Klimawirkung verursacht. Das ist in etwa so viel, wie ein Mittelklassewagen nach 25.000 Kilometern ausgestoßen hat – bei einem Verbrauch von 7 l/100 km, laut UBA-CO2-Rechner. Erschütternd, oder?
Die Corona-Krise wird das nicht langfristig verändern. Einerseits, weil es unwahrscheinlich ist, dass nach dem Ende der Pandemie die Menschheit auf Flugreisen verzichten wird. Andererseits, weil der ökonomische Schaden in der Luftfahrt viele Innovations- und Forschungsprojekte ausbremst, teilweise auch beendet, bei denen es um grüne Technologien in der Luftfahrt geht. Anderes steht gerade im Vordergrund.
Airbus hatte zu Beginn des Jahres noch ambitionierte Pläne
Etwa bei Lufthansa Technik mit Standort in Hamburg: 300 Mitarbeiter*innen sind hier coronabedingt von Kündigungen betroffen. Auf Anfrage von FINK.HAMBURG heißt es, der Konzern achte momentan sehr auf die Vermeidung von Investitionen, mit Ausnahme betriebsnotwendiger Maßnahmen. Dies betreffe auch das Einfrieren oder sogar Stornieren von verschiedenen Forschungs- und Innovationsprojekten.
Der Flugzeugbauer Airbus wirbt auf seiner Website ambitioniert mit elektrischen und emissionsfreien Flugzeugen sowie dem Einsatz von Quantentechnologien und künstlicher Intelligenz. Bereiche, die man vor Corona aktiv erforschte und die nach Vorstellung des Unternehmens auch zukünftig Teil der Luftfahrt sein soll. Ende letzten Jahres kündigte man an, bis 2035 ein emissionsarmes Flugzeug an den Start bringen zu wollen.
Auch diese Pläne sind von der aktuellen Lage bedroht. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter*innen des Standorts Hamburg befinden sich momentan in Kurzarbeit, die Auftragslage ist weitgehend zum Erliegen gekommen und die Nachfrage nach neuen Maschinen wird auf längere Sicht deutlich zurückgehen. Airbus-Chef Guillaume Faury sprach in einem Brief an seine Mitarbeiter von einem Drittel des Geschäfts, das innerhalb kürzester Zeit weggefallen ist.
In Frankreich hat der Staat Rettungspakete auf den Weg gebracht, die neben den Arbeitsplätzen auch Investitionen in Innovation betrifft. Hier wurde erkannt, dass die Uhr tickt – nicht nur ökonomisch sondern auch ökologisch.
Die Bundesregierung, die der Lufthansa in der vergangenen Woche Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden zusicherte, sollte das Unternehmen gleichzeitig in die Pflicht nehmen, weiterhin an grünen Technologien zu forschen. Außerdem ist es zwingend notwendig, dass bereits gesteckte Klimaziele auch weiterhin gelten und die Diskussion um eine europaweite Steuer auf Flugbenzin weitergeführt wird. In der Krise geht es um weltweit 135.000 Arbeitsplätze – trotzdem darf sie nicht als Schlupfloch für das Aussetzen des Klimaschutzes dienen.
Finanzielle Rettungsfonds müssen an Bedingungen geknüpft werden
Rettungspakete für den Lufthansa-Konzern können also nur funktionieren, wenn die Bundesregierung ihre Finanzspritze an ökologische Bedingungen knüpft. Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier hat jedoch bereits angekündigt dem Konzern auch künftig keine Vorschriften für das operative Geschäft machen zu wollen. An dem selbst gesteckten Ziel, die Flotte mit emissionsärmeren Flugzeugen zu erneuern, soll Lufthansa zwar weiterhin festhalten, wirklich konkrete Vorgaben scheint es aber keine zu geben.
Der Meinung ist auch Franz Josef Kirschfink, Geschäftsführer vom Luftfahrtcluster Hamburg Aviation, einem Verein aus Unternehmen sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen, der auch Lufthansa und Airbus zu seinen Mitgliedern zählt. Der Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Bereichen der Luftfahrt zählt zu den Aufgaben des Vereins. Kirschfink sieht die Politik neben den Airlines und den Flugzeugherstellern als entscheidenden dritten Player.
Vorstöße Richtung grünere Technologien müssen zeitig passieren
Kirschfink zieht Parallelen zur Elektromobilität in der Automobilbranche: „Warum macht Volkswagen derzeit so viel Werbung für Elektromobilität? Weil sie eine gewisse Anzahl an Elektroautos verkaufen müssen, um ihren Mittelwert des CO2-Austoßes für die ganze Flotte, die sie produzieren, unter dem EU-Grenzwert zu halten.“
Der entscheidende Unterschied sei, dass Flugzeuge bis zu 30 Jahre fliegen. Autos werden schneller ausgetauscht. Langfristige Projekte seien daher sinnvoll. „Und wer jetzt einen Vorstoß in Richtung grünere Technologien macht, muss auch darauf achten, dass der gelingt.“
So oder so: Einen Stillstand können wir uns nicht leisten. Gerade weil die Konzeption und Konstruktion solcher Maschinen ein sehr zeitaufwendiger Prozess ist. Wochenlang kaum Flugzeuge gesehen zu haben, bedeutet nicht, dass der Himmel nicht bald wieder von Kondensstreifen gezeichnet ist. Die haben übrigens nichts mit CO2-Emissionen zu tun.
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Anmerkung: In einer vorherigen Version des Artikels hieß es „Laut Umweltbundesamt werden bei einer Reise von Deutschland aus auf die Malediven, Hin- und Rückflug zusammengerechnet, pro Person etwa fünf Millionen Tonnen CO2 freigesetzt“. Das war falsch. Richtig ist: „Laut Umweltbundesamt werden bei einer Reise von Deutschland aus auf die Malediven, Hin- und Rückflug zusammengerechnet, pro Person etwa fünf Millionen Tonnen CO2 Klimawirkung verursacht“. Wir haben das korrigiert.
Hallo Herr Kaiser,
da ist mit den Zahlen was durcheinander geraten: Für einen Hin- und Rückflug zu den Malediven werden pro Passagier keinesfalls “etwa fünf Millionen Tonnen CO2 freigesetzt”. Die Klimawirkung entspricht dem Ausstoß von etwa fünf Tonnen CO2. Eine Million Passagiere würden dann fünf Millionen Tonnen CO2 produzieren.
Vielen Dank für den Hinweis! Dieser Fehler wurde von uns korrigiert.
Bitte korrigieren: 5 Millionen Tonnen werden auf einem Flug auf die Malediven nicht umgesetzt, sondern ca. 3,75 t pro Person.
Wir beziehen uns hier auf folgende Angabe des Umweltbundesamtes:
https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/mobilitaet/flugreisen#unsere-tipps
[…] Guillaume Faury bezeichnete die aktuelle Situation als schwerste Krise, die die Luftfahrtbranche jemals erlebt habe. Um die 15.000 Stellen sollen nun weltweit wegfallen, um Airbus zu erhalten. […]
[…] der Umwerlt langfristig schaden kann. In: FINK Hamburg, 29.06.2020. Online verfügbar unter https://fink.hamburg/2020/06/wie-die-luftfahrt-krise-der-umwelt-langfristig-schaden-kann/, zuletzt geprüft am 06.07.2020 um […]