In den USA ist Sozialismus nicht gleich Sozialismus: Republikaner und Demokraten haben grundverschiedene Ansichten. Besonders deutlich wird das an den Positionen von Donald Trump und dem Sender Fox News gegenüber denen der selbsternannten Sozialist*innen Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez.
Mit Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez ist der Sozialismus in den USA besonders unter jungen Amerikaner*innen in den letzten Jahren immer populärer geworden. 2019 hat das Meinungsforschungsinstitut Gallup festgestellt, dass circa die Hälfte der befragten Amerikaner*innen zwischen 18 und 39 Jahren ein positives Bild vom Sozialismus haben.
Während seines Wahlkampfs wetterte Donald Trump trotzdem – oder genau deshalb – regelmäßig gegen die sozialistische Bewegung in der demokratischen Partei. Rückendeckung bekommt er dabei von dem Nachrichtensender Fox News. Das Kuriose: Die Ansichten darüber, was Sozialismus eigentlich ist, gehen in beiden Lagern weit auseinander. 2018 hatten 57 Prozent der Demokraten einen positiven Eindruck von Sozialismus und lediglich 16 Prozent der Republikaner.
Was ist Sozialismus?
Grundsätzlich ist es erst mal gar nicht so einfach, den Begriff genau festzustecken. Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Sozialismus so:
Weltbild, das sich im 19. Jahrhundert aus der Kritik am Kapitalismus entwickelt hat und eine Beseitigung dieses Wirtschaftssystems anstrebt. Wirtschaftspolitische Grundlage ist die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und dessen Verstaatlichung sowie die zentrale Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses, um negative soziale Auswirkungen des Wirtschaftens zu verhindern. Ziel ist die Überwindung sozialer Gegensätze in Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Verbesserung der Situation der arbeitenden Bevölkerung.
Ob es das ist, was Amerikaner*innen vor Augen haben, wenn sie an Sozialismus denken? 2018 hat das Institut Gallup gefragt, was die amerikanische Bevölkerung unter Sozialismus versteht. 23 Prozent gaben an, dass es etwas mit Gleichberechtigung zu tun hat. 17 Prozent beschrieben Sozialismus als die staatliche Kontrolle über Unternehmen und die Wirtschaft. Weitere 23 Prozent hatten keine Meinung.
Donald Trump, Fox News und der Sozialismus in Amerika
Das Bild, das die Republikaner unter Donald Trump und der Nachrichtensender Fox News vom Sozialismus zeichnen, soll möglicherweise die Angst der Amerikaner*innen schüren und dazu beitragen, beispielsweise Forderungen nach einem besseren Sozialsystem entgegenzuwirken. Immer wieder führen sie Venezuela als Negativbeispiel für ein sozialistische System an. In Venezuela hat Hugo Chavéz während seiner Präsidentschaft die Gewaltenteilung schrittweise abgeschafft. Unter Präsident Nicolás Maduro haben Enteignung sowie Umverteilung in den letzten fünf Jahren zu einem Einbruch der Wirtschaft geführt. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Venezuelas leben heute in Armut.
Fox News befeuert diese verheerenden Auswirkungen eines vermeintlich sozialistisch geprägten Staates mit Artikeln wie „Refugees from Socialist countries warn Americas: Don’t let it happen here“ und Meinungsbeiträgen wie “Venezuela is the Socialist-wasteland that Ocasio-Cortez and Fellow Democrats are leading the US towards“.
Auch in seiner Rede zur Lage der Nation 2019 betonte Donald Trump, dass die USA niemals ein sozialistisches Land werden solle. Er ließ die Erinnerung an die Zeiten des Kalten Krieges wiederaufleben – eine Zeit, die die Abneigung gegen den Sozialismus in den USA nachhaltig geprägt hat.
Unter Sozialismus verstehen große Teile der Republikaner und damit auch Trump ein übermächtiges Eingreifen des Staates in die Wirtschaft, Verstaatlichung von Industriegütern und Ressourcen und Planwirtschaft anstelle der freien Marktwirtschaft.
Sanders und Ocasio-Cortez: Sozialismus wird Mainstream
Allerdings weicht diese Vorstellung weit von dem ab, was selbsternannte demokratische Sozialist*innen wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez unter Sozialismus verstehen – und was mittlerweile unter vielen Amerikaner*innen trotz republikanischem Gegenwirken salonfähig geworden ist.
Sie fordern, was für europäische Ohren weder radikal noch sozialistisch klingt: die Krankenversicherung für alle, einen gesetzlichen Mindestlohn von 15 Dollar, höhere Steuern für Reiche und die Möglichkeit eines gebührenfreien Studiums. Insgesamt also mehr soziale Gerechtigkeit und gerechte Umverteilung.
Bernie Sanders’ und Alexandria Ocasio-Cortezs sozialistische Politik hat wenig mit dem zu tun, worauf sich Donald Trump und Fox News beziehen. Vielmehr sind viele Forderungen Teil des Systems, das in vielen europäischen Ländern schon lange etabliert ist: die Sozialdemokratie.
Für den frisch gewählten Präsidenten Joe Biden gehen die Ansichten des linken Flügels der Demokratischen Partei, zu dem sich Sanders und Ocasio-Cortez zählen, dennoch zu weit.
Joe Biden liegt irgendwo dazwischen
Der neu gewählte Präsident Joe Biden hat zwar einige sozialistische Ideen wie den Mindestlohn von 15 Dollar in sein Wahlprogramm aufgenommen, den Sozialismus weist er aber dennoch weit von sich: Von Trumps Vorwurf, er sei ein „Trojanisches Pferd für Sozialismus“, distanziert Biden sich. Er sehe sich selbst keinesfalls als „radikalen Sozialisten“, sondern ordnet sich entschieden in der politischen Mitte ein.
Vor allem aber will Joe Biden, wie er in seiner ersten Rede als gewählter Präsident bereits versprochen hat, der Präsident aller Amerikaner*innen sein. Egal ob Republikaner, Demokrat – oder demokratischer Sozialist.
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