Zuschlagen in drei Minuten

Wohnungssuche in Hamburg

FINK.HAMBURG-Autor Wyn Matthiesen sucht seit Monaten eine neue Wohnung.
Wohungssuche auf Ebay Kleinanzeigen: Ich habe keinen Bock mehr.

FINK.HAMBURG-Autor Wyn sucht mit seiner Freundin seit Monaten eine neue Wohnung. Gefunden haben sie: falsche spanische Ärztinnen auf Ebay Kleinanzeigen, überteuerte Kallax-Regale und Feuerwehreinsätze in der Nachbarswohnung.

Rumms. Ich schrecke aus dem Tiefschlaf hoch und gucke meine Freundin verschlafen an, die ebenfalls senkrecht im Bett steht. Tatütata hallt es von irgendwo her. Ich blicke durch das Fenster, aber kein Blaulicht in Sicht.

Es vergehen ein paar Sekunden, dann weicht mein Schrecken einer nüchternen Erkenntnis: Der Feuerwehreinsatz findet nicht vor unserer Tür statt, sondern oben im Kinderzimmer vom Nachbarsjungen Harry. Der Fünfjährige hat sein neues Spielzeug-Feuerwehrauto wohl erst auf den Boden gepfeffert und anschließend die Sirenen eingeschaltet. Um 5:30 Uhr morgens. Auf einen Montag.

Das war der Moment, an dem wir beschlossen umzuziehen. Eigentlich ist die Wohnung schön, aber die Wände sind gefühlt aus Papier. Andere hören das Nachbarspaar beim Sex. Wir hören, was sie sich vorher gegenseitig ins Ohr flüstern. Next-Level.

Seit Oktober suchen wir. Okay, vier Monate Suchen in einer Großstadt wie Hamburg sind keine Seltenheit. Genervt bin ich trotzdem: von Betrüger:innen, dreisten Vermieter:innen und horrenden Abstandsforderungen.

Wohnungssuche in Hamburg: Go fast or be last

In der Uni frage ich einen Kommilitonen, welche Immobilienportale er empfehlen kann. Er war selbst mehrere Monate auf der Suche. „Ebay Kleinanzeigen ist am besten, aber da müsst ihr innerhalb von drei Minuten zuschlagen, wenn mal was kommt. Den Rest könnt ihr vergessen“, sagt er. Drei Minuten? Übertreib mal nicht, denke ich.

Noch am Abend versuchen meine Freundin und ich unser Glück. Erstmal den “Hipster-Filter” einschalten: am liebsten in Altona oder Eimsbüttel, ab 55 Quadratmetern, maximal 1100 Euro warm. Tatsächlich findet sich in den ersten Ergebnissen ein Schmuckstück: Zwei-Zimmer-Wohnung nähe Osterstraße, mit Balkon, 950 Euro all in. Veröffentlicht vor fünf Minuten. SCHNELL!

Hastig verfasse ich ein paar schöne Zeilen: Traumwohnung, können morgen vorbeikommen, Einzug ab sofort kein Problem (Äh, doch. Aber das ist erstmal egal). Als ich die Nachricht verschicken möchte, färbt sich der grüne Sendebutton plötzlich grau. Na toll, die Anzeige heißt nun nicht mehr „Zwei-Zimmer-Wohnung nähe Osterstraße“ sondern „ANFRAGESTOPP!!“. Scheinbar hatten sich innerhalb von fünf Minuten zu viele Interessent:innen gemeldet. Wäre aber auch irgendwie zu schön gewesen.

Ich scrolle weiter, aber mehr gibt die Suche nicht her – außer einem Inserat von einer jungen Familie, die sage und schreibe 10.000 Euro für eine Wohnungsvermittlung zahlt!? Okay, mein Kommilitone hatte wirklich nicht übertrieben.

„118 Quadratmeter mit Garten für 1000 Euro warm“

Meine Freundin und ich versuchen es ein paar Tage später auch mit einem Inserat. Überschrift: Paar sucht Wohnung. Oh Gott, wie spießig! Fehlt eigentlich nur noch, dass wir unser Schufa-Formular mit in die Bildergalerie laden.

Ganz schön billig für 118 Quadratmeter: Scam-Mails sind auf Ebay Kleinanzeigen keine Seltenheit.

Einen Tag später schreibt uns Frau Dr. Ursula Schreiner, eine Hamburger Ärztin, die seit Jahren in Spanien lebt. Sie habe für uns eine Wohnung mit Garten in Ottensen, 118 Quadratmeter, 1000 Euro warm. Zum Abschließen des Mietvertrags komme sie nach Hamburg, vorher solle ich aber 1000 Euro Kaution zahlen. Wer da noch keinen Verdacht geschöpft hat, macht es spätestens ein paar Absätze später, als die Ausstattung vorgestellt wird: Fenster aus Panzerglas, Überwachungskamera und Kino. Ja ist klar, Frau Doktorin, und die Erde ist flach. Eine kurze Recherche zeigt: Eine Frau Dr. Ursula Schreiner ist auf Ebay Kleinanzeigen bereits als Betrügerin aufgefallen, auf dem Portal Betrugsalarm gibt es mehrere Beschwerden. Nach drei weiteren solcher Scam-Mails löschen wir unser Inserat wieder.

Designerpreise für Ikeamöbel

In den Wochen darauf gehen wir zu mehreren Besichtigungen, aber erhalten nur Absagen. Das Gemeine ist, dass Vormieter:innen ihre Machtposition auf dem Wohnungsmarkt brutal ausnutzen. Zwei potentielle Fallen lauern hinter jeder Wohnungsanzeige.

Erstens lohnt es sich immer, den Text ganz zu lesen, denn nicht selten wartet eine böse Überraschung: Abstandskosten. Es gibt nicht wenige, die für das Kallax-Regal, den Pax-Schrank und den Lack-Tisch 2000 Euro Abstand verlangen. Sie schämen sich nicht mal dabei.

Zweitens werden Wohnungen auf Ebay Kleinanzeigen fast ausschließlich für ab sofort inseriert – als wenn man problemlos genauso schnell einen Nachmieter für seine Wohnung finden würde oder alternativ eben drei Monatsmieten doppelt zahlt.

Hier eine Freundin, die eine Schwester hat, die eine Freundin hat

Unser Nachbarskleinkind Harry hat derweil noch einen drauf gelegt: Neuerdings übt er sich im Synchron-Jaulen mit dem Feuerwehrauto – vorzugsweise zum Einsingen direkt nach dem Aufstehen. Also nicht aufgeben und weitersuchen. Weil uns Ebay Kleinanzeigen zusehends frustriert, probiere ich es mit dem guten alten Vitamin B und lasse die Leute in meiner Instagram-Story wissen, dass wir auf Suche sind. Tina, die Schwester einer Freundin, schickt mir eine Wohnung zu, die sie in ihrer Story gesehen hat. Die Bude macht einen guten Eindruck: Nähe Altona Bahnhof, 1000 Euro warm, mit Balkon.

Also schreibe ich Tinas Freundin an. Die hat die Wohnung aber auch nur geteilt – eigentlich ist sie von der Schwester einer Freundin von ihr. Über drei Nachrichten lande ich dann schließlich bei der aktuellen Mieterin, die sogar noch einen Besichtigungstermin frei hat.

„Hi, ich bin der Freund von der Schwester von Tina, die mir die Story von – äh – Maximiliane, der Freundin– äh – deiner Schwester weitergeleitet hat“, sage ich zur Begrüßung. Kurze Verwirrung. Egal, die Wohnung entpuppt sich als Volltreffer, die Mieterin leitet meine Nummer an den Objektverwalter der Mietgesellschaft weiter.

Der meldet sich auch kurze Zeit später bei mir telefonisch: Aufgrund der aktuellen Inflation werde die Kaltmiete um 180 Euro erhöht, ob wir trotzdem weiter Interesse hätten. Ernsthaft? 1100 Euro waren unsere absolute Schmerzgrenze. Ich würde den Makler am Telefon am liebsten anschreien. Aus Frust melden wir uns nicht mehr zurück.

Danach brauchte ich ein paar Tage Abstinenz, bis sich ein Freund letzte Woche bei mir meldete. Eine Freundin von ihm sucht einen Nachmieter. Bei der Besichtigung stimmte alles, jetzt warten wir wieder auf den Anruf der Vermietung. Drückt uns die Daumen.