In Hamburg steigen die Infektionen bei Kindern mit dem RS-Virus an. Kinderkliniken und Notaufnahmen sind überlastet. Die Atemwegserkrankung kann vor allem für Kleinkinder und Säuglinge gefährlich werden.
Niedergelassene Kinderärzte und Kinderkliniken melden derzeit einen deutlichen Anstieg von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Hamburger Kinderärzt*innen hatten bereits Anfang November in einem Brandbrief an das Gesundheitsministerium vor Versorgungsengpässen gewarnt.
RSV ist eine Atemwegserkrankung, die vor allem für Kleinkinder und Säuglinge bedrohlich ist. Die Infektwelle ist zu dieser Jahreszeit nicht unüblich, so Maike Hinrichs, Sprecherin des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift. “Was wir jedoch beobachten ist, dass derzeit deutlich mehr Kinder krank sind als im Vorjahr.” Das spiegle sich auch in der Notaufnahme wieder.
Volle Betten in Kinderkrankenhäusern
Von Ende Oktober bis Ende November wurden im Wilhelmstift mehr als 4900 Kinder behandelt, damit hat sich die Patientenzahl nahezu verdoppelt, so die Sprecherin. “Teilweise haben wir kein freies Bett für ein krankes Kind und versuchen dann, in andere Kinderkliniken zu verlegen”, so Hinrichs. In den meisten Fällen könnten die Kinder aber wieder nach Hause geschickt werden. Nur ein kleiner Anteil müsse stationär aufgenommen werden.
Die Mariahilf-Klinik in Heimfeld behandelt seit Ende Oktober ebenfalls deutlich mehr Fälle des RS-Virus, so eine Sprecherin. Der Anstieg der RSV-Fälle sei “vor allem auch in ihrer Schwere” bemerkbar. Durch die Behandlungen sei mehr Personal nötig und die Belastung sei deshalb im Vergleich zu anderen Erkrankungen ungleich höher.
Im Kinder-UKE sei die Lage noch nicht so kritisch, sagt Professor Jun Oh, Vize-Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die Versorgung von erkrankten Kindern und Jugendlichen sei sichergestellt. “Die Intensität der Erkrankungswelle, die andere Bundesländer aktuell berichten, sehen wir im Kinder-UKE bisher noch nicht”, so Oh.
Divi warnt vor “katastrophaler Lage”
Vor einer “katastrophalen Lage” auf Kinder-Intensivstationen spricht hingegen die Medizinervereinigung Divi. Die Lage auf Intensivstationen der Kinderkliniken ist ohnehin schon lange prekär. Die Infektionen mit dem RS-Virus verschärfen nun die Lage. Sechs bis sieben Stunden Wartezeit seien aktuell in manchen Notaufnahmen keine Seltenheit, berichtet der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch.
Weil alle Betten voll waren, wurde zum Beispiel aus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in der Nacht zu Freitag ein Kind mit RSV-Infektion nach Magdeburg verlegt, Entfernung rund 150 Kilometer. “Meine Kollegen hatten 21 Kliniken angerufen”, berichtet Gesine Hansen, Ärztliche Direktorin der MHH-Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie.
Eine RSV-Infektion kann vor allem für die Jüngsten und Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge oder mit anderen chronischen Erkrankungen lebensbedrohlich werden. Oh empfiehlt dringend die Schutzimpfung für diese Gruppen gegen das Virus.
Infektionswelle durch Masken und Lockdowns?
Die Ursache des Anstiegs sehen Gesundheitsexpert*innen darin, dass sich viele Kleinkinder aufgrund der Maskenpflicht und der Corona-Lockdowns in den vergangenen Jahren seltener mit dem Virus angesteckt hatten. Daher werden viele Infektionen jetzt “nachgeholt”.
jim/dpa