Peter Tschentscher steht neben den neuen Staatsbürgern. Die Neubürger halten ihre Einbürgerungsurkunden in den Händen.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher überreicht den neuen Staatsbürgern ihre Einbürgerungsurkunden im Rathaus. Foto: Jolan Geusen

Immer mehr Menschen wollen deutsche Staatsbürger werden. Die Zahl der Einbürgerungsanträge steigt auch in Hamburg an. Doch was sind die Gründe dafür?

Von Anne Paulsen und Jolan Geusen

Der große Saal im Hamburger Rathaus ist gut gefüllt. Zahlreiche Hamburger*innen mit Migrationsgeschichte sind mit ihren Familien erschienen. Ein kleines Mädchen mit weißen Turnschuhen rennt durch die Stuhlreihen. Die Anwesenden blicken gespannt nach vorne. Dort steht Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im grauen Anzug am Rednerpult. In seiner Rede erinnert er die Zuhörerschaft daran, warum sie heute hier sind: Sie sind eingeladen zur 58. Einbürgerungsfeier der Stadt Hamburg

Bei der Einbürgerungsfeier überreicht Tschentscher einigen Neubürger*innen stellvertretend für alle neuen Deutschen ihre Einbürgerungsurkunden. Die Tradition dieser Zeremonie gibt es laut Angaben des Senats seit 2006. Fünf bis sechs Mal pro Jahr lädt der Senat die neuen Staatsbürger*innen ins Rathaus ein. Lediglich während der Corona-Pandemie ruhte die Feier. Im Mai teilte das Amt für Migration auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit, dass in diesem Jahr bereits 4850 Anträge gestellt und rund 3060 Einbürgerungen vollzogen worden seien. 

Starker Anstieg der Anträge seit 2021

Immer mehr Hamburger*innen entscheiden sich dazu, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Das geht aus Daten des Hamburger Amts für Migration hervor. Noch 2020 stellten in Hamburg etwas mehr als 6000 Menschen einen Antrag. 

Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 10.695 Anträge im Jahr. Damit lag die Zahl so hoch wie seit 22 Jahren nicht mehr. Seit 2021 sei „ein starker und stetiger Anstieg der Antragszahlen zu verzeichnen“, hieß es vonseiten des Amts für Migration gegenüber der dpa.

Mehr Einbürgerungsanträge, aber warum?

Für die Entwicklung seit 2021 gibt es laut Amt für Migration verschiedene Gründe. Die gestiegene Zahl lasse sich insbesondere auch auf die 2015 begonnene Migrationsbewegung zurückführen. Viele Menschen, die damals in Deutschland Schutz suchten, sind nun seit sechs bis acht Jahren hier. 

Etwa so lange dauert oft auch die minimale Aufenthaltsdauer, die für einen Einbürgerungsantrag gilt. So erfüllen sie die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Verkürzung der Aufenthaltsfrist auf sechs Jahre. Zentral dafür ist nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz der Nachweis besonderer Integrationsleistungen, beispielsweise bei Sprachkenntnissen, beruflichen Leistungen oder bürgerschaftlichem Engagement.

Auf Anfrage von FINK.HAMBURG erklärte das Amt für Migration außerdem, dass neben persönlichen Gründen auch demografische Entwicklungen eine Rolle spielen. Hamburg habe im bundesweiten Vergleich auf der Liste der Bundesländer mit dem höchsten Einbürgerungspotenzial stets einen der vorderen Plätze belegt.

Aus diesen Ländern kommen die meisten Menschen

Im Jahr 2022 kamen die meisten neuen Staatsbürger*innen aus Syrien. 1541 Syrer*innen erhielten die deutsche Staatsbürgerschaft. Dahinter folgen Afghanistan und die Türkei. Aus der Ukraine wurden 226 Personen eingebürgert. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges habe Hamburg zuletzt über 40.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen, erklärte Tschentscher bei der Einbürgerungsfeier im Mai.

Die Zahl der in Hamburg eingebürgerten Syrer hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Syrer*innen stellten den Angaben zufolge dabei rund ein Viertel aller in Hamburg eingebürgerten Personen, teilte das Statistikamt Nord im Juni mit.

Einige der neuen Staatsbürger*innen in Hamburg leben aber auch schon länger als sechs oder acht Jahre in Deutschland. Bozhidara Koleva ist eine von ihnen und kommt gebürtig aus Bulgarien. Sie wohnt nun seit knapp elf Jahren in Deutschland: „Mittlerweile fühlt es sich wie meine Heimat an. Und die Einbürgerung gehört einfach dazu, damit es wirklich offiziell wird", sagt sie. Ihre Einbürgerung habe allerdings länger gedauert als erwartet. Laut dem Mediendienst Integration ist dies in vielen deutschen Großstädten der Fall und hängt unter anderem mit der hohen Antragszahl zusammen.

Vorteile und Voraussetzungen einer Einbürgerung

Menschen, die sich in Deutschland einbürgern lassen, ist der Familiennachzug einfacher möglich, erklärt die Stadt Hamburg auf ihrer Website. Darüber hinaus ist eine Vielzahl visumfreier Reisen in viele Länder der Welt, auch außerhalb der EU, möglich. Im Ausland besteht konsularischer Schutz durch die Bundesrepublik Deutschland. Marko Pejic, der auch eine Einbürgerungsurkunde vom Ersten Bürgermeister erhalten hat, erkennt für sich noch weitere Vorteile durch die Einbürgerung. „Deutsch sein bedeutet für mich, ein privilegiertes Verständnis von Freiheit, Recht und Gesetz zu genießen“, erklärt der 34-Jährige.

Zu den Voraussetzungen für eine Einbürgerung gehören unter anderem gute Deutschkenntnisse, sechs bis acht Jahre Aufenthalt im Land und das Bekenntnis zum Grundgesetz. Die häufigsten Gründe, weshalb der Einbürgerungsantrag abgelehnt wird, sind laut Amt für Migration mangelnde Mitwirkung, Straftaten, Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und fehlende wirtschaftliche Voraussetzung (z.B. Sicherung des Lebensunterhaltes). 

Bei der 58. Einbürgerungsfeier im Mai benannte Bürgermeister Tschentscher die Vorteile von vielen Einbürgerungen für die Stadt Hamburg: Alle, die dauerhaft hierbleiben und die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, tragen zur Vielfalt und Internationalität unserer Stadt bei und machen uns stärker.“ In Hamburg würden Menschen aus 195 Staaten leben. Die Stadt sei dadurch eine internationale Stadt mit Beziehungen in alle Welt.

Wenn Jolan Geusen, Jahrgang 2000, nicht gerade Tofuhack-Bolognese kocht, hört er Fußball-Podcasts. Seit einem Kreuzbandriss fährt er allerdings Rad, statt zu kicken. Als Kind wollte er Archäologe werden, entschied sich dann aber zum Studium der Politik- und Medienwissenschaft in Bonn. Journalistische Erfahrung sammelte er beim ARD MoMa, nebenbei arbeitet Jolan als freier Mitarbeiter beim „Bonner Generalanzeiger“. Der gebürtige Eifler kann bei 150 “Drei ???”-Folgen anhand der ersten 20 Sekunden den Titel benennen. Bis heute würde er gern einmal ein Bier mit den Sprechern der drei Detektive trinken. (Kürzel: lan)

Anne Paulsen, geboren 1996 in Itzehoe, hat Flugangst, reiste nach dem Abitur aber trotzdem für ein Jahr auf die von der Klimakrise bedrohte Pazifikinsel Kiribati. Sie unterrichtete, pflanzte Mangroven und begann zu bloggen. Später schrieb sie für kleinere Magazine und eine NGO über Klimawandel und Nachhaltigkeit. In Hamburg studierte sie Religionswissenschaft. Auf den Salomonen hat sie den ersten Frauenboxkampf mitorganisiert und stieg auch selbst in den Ring. Einen Poetry Slam ohne Wettkampfcharakter zu organisieren, steht noch auf ihrer To-Do-Liste – dann würde sie sich vielleicht mit einem eigenen Gedicht auf die Bühne trauen. (Kürzel: apa)