Ruf mich an, tagge mich, like mich, buche mich – die Kommunikationsdesigner der HAW wollen sich vernetzen. In der Ausstellung „Call me#3“ zeigen sie vom 27.-29. April ihre Abschlussarbeiten. Doch wieso wollen sie angerufen werden?
Schriften entwickeln, Installationen planen, filmen, fotografieren und layouten: All das haben 29 Bachelor- und Masterstudierende der HAW Hamburg in ihrem Kommunikationsdesign-Studium gelernt. Ihre Abschlussarbeiten zeigen sie nun erstmals der Öffentlichkeit. Dabei ist die Ausstellung „Call me #3“ in der Affenfaust Galerie auch eine Chance, wertvolle Kontakte für die Zukunft aufzubauen. Denn was nützen die raffiniertesten Gestaltungskonzepte, die innovativsten Schriften oder die schönsten Fotos, wenn sie niemals die Räume der Hochschule verlassen?
Ein Haus, zwei Familien, zwei Kulturen
Die Bachelorabsolventin Nele Neubauer wollte für ihre Arbeit „die Geschichte einer erfolgreichen Integration“ dokumentieren. Die Fotografien, die sie im Bildband „بيت عائلتان ثقافتان Ein Haus Zwei Familien Zwei Kulturen“ ausstellen wird, zeigen Alltagssituationen einer 2015 aus Syrien geflüchteten Familie. Mervat, Khaled, Walid, Hala und Jana wohnen in einem Haus in Bad Soden im Taunus. Die Besitzer des Hauses überließen es vor drei Jahren zur Vermietung an Geflüchtete – samt Möbeln, Geschirr und Wanddekorationen.
Nun isst die junge syrische Familie ihre Mezze von Oma Fränzes Meißner Porzellan, während im Nebenraum die Kuckucksuhr zur vollen Stunde schlägt. Die Fotos des Familienalltags von Mervat und Khaled zeigt Neubauer in ihrem Buch neben Archivaufnahmen der Hausbesitzer. Diese waren bereits in den 60er Jahren vor identischer Kulisse beisammen, aßen und spielten. Und das, so erklärt Neubauer „lässt einerseits die Unterschiede der Kulturen und des Familienlebens deutlich hervortreten, während sie in anderen Situationen vollkommen aufgehoben scheinen.“
Revolution durch Smartphones?
Auch der Film von Antonia Rodríguez beginnt mit Aufnahmen von Menschen in Alltagssituationen. Sie hat Freunde und Bekannte in der U-Bahn, im Café, oder abends am Küchentisch gefilmt. Sie alle haben eines gemeinsam: ein vom Smartphone-Display bläulich erleuchtetes Gesicht. Die Bachelorabsolventin zeigt in der ersten Hälfte ihres Films die Passivität von starrenden und monoton scrollenden Smartphone-Nutzern.
Später jedoch werden diese Aufnahmen neben Amateurvideos der Großdemonstrationen des Arabischen Frühlings, des Euromaidan oder der Women’s Marches gestellt: Ereignisse, die seit 2011 die Debatte um die positiven Aspekte schneller Vernetzbarkeit und Verbreitung von usergeneriertem Content auf Sozialen Netzwerken dominieren. „Gerade nach dem Arabischen Frühling wurde den Sozialen Medien zugesprochen, ihre Verbreitung hätte eine neue Art von sozialem Aktivismus erfunden“, beschreibt Rodríguez. Sie gab ihrem Film dennoch den Namen „The Revolution will not be Smartphonized“. Dazu erklärt sie: „In der heutigen Realität endet soziales Engagement für viele Nutzer mit dem Klick auf Like, Share oder ‚Veranstaltung interessiert mich‘. Das Virtuelle sollte aber niemals an die Stelle einer realen Handlung treten.“
Die Kamera als Spiegel
Wie sehr bestimmt das Außen unseren Selbstwert? Die Masterstudentin Gertje König hat während des letzten Jahres künstlerisch-konzeptionelle Selbstportraits zum Thema “weiblicher Narzissmus” entwickelt. Ihre Arbeit „Innen Außen Zwischen – Eine Figuration des Selbst“ war bereits im Enfants Artspace in Hamburg ausgestellt. Sie gehörte 2017 zu den Gewinnern des New Talent Awards. Für König wird heute gerade durch Soziale Medien das Bild einer „stark nach außen gewandten, sich selbst darstellenden und selbst vermarkteten Gesellschaft“ gezeichnet. Um den Blick von außen auf sich zu richten, machte sie die Kamera zum Spiegel. In ihren Selbstportraits nähert sie sich dem, das normalerweise unter der Oberfläche verborgen bleibt: Gefühlswelten zwischen naiver Euphorie, Selbstvergessenheit und tiefen Zweifeln.
Wie geht’s weiter?
Mit der Ausstellung „Call me“ endet für Nele, Antonia, Gertje und die 26 anderen Aussteller und Ausstellerinnen das Studium. Wer nicht wie Gertje König bereits eine Ausbildung abgeschlossen hat, dem fehlt es nach dem Studium meist an nötiger Arbeitserfahrung. Viele Kommunikationsdesigner starten ihre Karriere branchentypisch mit Praktika unter dem Mindestlohn, an die mit etwas Glück ein erster fester Job anschließen wird. Wie lange es dauert, bis die Absolventen ihren Weg in den Arbeitsmarkt gefunden haben, weiß das Department Design der HAW Hamburg nicht.
“freie, kreative Arbeit, oder ein besser bezahlter, sicherer Job? Viele machen auch beides parallel.“
Die meisten Kommunikationsdesigner möchten sich früher oder später selbstständig machen. Das funktioniert am besten mit einem großen Repertoire an Arbeitsproben und Kontakten. Die Ausstellung „Call me“ bietet den Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit, sich und ihre Arbeiten abseits des Hochschulumfelds zu präsentieren. Dass eine Agentur sie daraufhin anruft, tagged, liked oder bucht, wäre für sie das Größte.
Die Ausstellung „Call me #3“ startet am Freitag, den 27.04. mit der Vernissage von 19-24 Uhr. Weitere Termine: Samstag, 28.04. 12-19 Uhr, Sonntag, 29.04. 12-19 Uhr. Ort: Affenfaust Galerie, Paul-Roosen-Straße 43 Hamburg.