Im Schutzraum der Hochschule kann man bestens experimentieren, vor allem mit dem richtigen Handwerkszeug – deshalb besucht Laura Westerheider mit ihren Kommunikationsdesign Studentinnen eine Druckerei im Umland Hamburgs.
In der Halle riecht es nach Farbe. In regelmäßigen Abständen piepst ein Warnton. Irgendwo läuft ein Radio, das gegen das Dröhnen riesiger Druckmaschinen ankämpft. “Die große Kunst des Druckens ist es, das aufs Papier zu bringen, was der Kunde auf dem Bildschirm gesehen hat,” sagt Laura Westerheider zu den vier Studentinnen mit Blick auf die großen Offsetdruckmaschinen. Klingt leichter, als es ist.
Laura Westerheider entwickelte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) gemeinsam mit einer Gruppe Kommunikationsdesign Studentinnen das Erscheinungsbild des halbjährigen Rundgangs der Hochschule. Das umfasst neben einer Webseite auch Plakate und Flyer. Bei der Exkursion in die Druckerei Beisner in Buchholz können ihre Studentinnen den ganzen Ablauf von A wie Anlieferung der Druckdaten bis Z wie Zuschnitt der fertigen Print-Produkte verfolgen.
Credit Points für Plakate
Nicht nur für das Erscheinungsbild des Rundgangs ist es wichtig, dass die Studentinnen sich mit dem Drucken auskennen. In ihrem Kommunikationsdesign Studium an der HAW können die Studentinnen unter anderem Kurse über Fotografie, Typografie und Editorial belegen. Egal wofür sie sich entscheiden: Am Ende des Kurses schreiben sie keine Klausuren, sondern müssen als Prüfungsleistung fertige Druckerzeugnisse abgeben. Ob Plakate, Prospekte oder ganze Bücher – Drucke können schnell sehr teuer werden.
Ein Weg Geld zu sparen ist, die Drucke im Internet zu bestellen. Diese Ersparnis kommt aber mit einem Risiko: Bei Online-Druckereien müsse man es “nehmen wie es kommt”, erzählt eine der Studentinnen, die mit zu der Druckerei nach Buchholz gefahren ist. “Online wird vorausgesetzt, dass die angelieferten Daten richtig sind. Da kontrolliert keiner mehr vor dem Druck”, ergänzt Michael Weisser. Deshalb sei es auch so günstig.
Stoßgebete für Papierstapel
Weisser führt an diesem Tag durch die großen Hallen und kleinen Büros der Druckerei. Die Studentinnen versammeln sich neugierig um ihn, während er einen silberglänzenden Papierbogen aus einer Abfalltonne fischt. “So eine Papierauswahl gibt es in einer Online-Druckerei gar nicht”, sagt er stolz. “Da kannst du 300 Gramm Recyclingpapier anklicken, aber anfassen kannst du es nicht”, stimmt Westerheider ihm zu.
Gestrichene Papiere wurden mit Bindemittel bestrichen, wodurch sie glatter und weißer wirken, als ungestrichene, beziehungsweise offene Papiere. Offene Papiere sind rauer und deshalb natürlicher.
Die Entscheidung darüber, auf welchem Papier man druckt, ist wichtig für das Endergebnis. Soll es lieber matt oder glänzend sein? Offen oder gestrichen? Westerheider erklärt, dass es als Freelancer außerdem einen guten Eindruck bei Kunden hinterlässt, wenn man ihnen Vorschläge macht, die zu ihrem Produkt passen. Die Dimensionen der Papierauswahl in der Druckerei werden in der nächsten Halle deutlich. Zwischen meterhohen Regalwänden, bestückt mit tonnenweise Papier, fährt ein Mitarbeiter seinen Gabelstapler zum Rhythmus von lauter Technomusik durch das Lager.
Kleine Auflagen für kleines Geld
Die Studentinnen müssen oft nur kleine Auflagen drucken lassen – das kostet sie auf das Exemplar gerechnet mehr als große. “Für euch ist Digitaldruck interessant,” rät Westerheider. Bei diesem Druckverfahren werden die Daten direkt in der Maschine verarbeitet und mit Hilfe von Lasertechnologie auf das Papier gebracht. Dadurch ist schon das Drucken einzelner Exemplare möglich. Für große Auflagen lohnt sich das Offsetdruckverfahren. Da die Maschinen mit großformatigen Papierbögen beladen werden, können beispielsweise mehrere Seiten eines Buchs gleichzeitig gedruckt werden. Der Druckprozess ist jedoch viel aufwendiger. Für jede Druckfarbe muss eine eigene Druckplatte belichtet werden.
Einen Vorteil, den das Drucken auf einer Offsetmaschine hat, ist die Farbauswahl. Während es im Offsetdruck Sonderfarben gibt, beschränkt sich die Auswahl des Digitaldrucks auf die Farben, die aus den vier Grundfarben gemischt werden können. Nicht so bei Beisner: Dort ist es seit kurzem möglich, Neongelb digital auf Papier zu bringen, erzählt Weisser.
Prägende Grundlagenkurse
Schnaufend setzt sich der Motor der Original Heidelberg Cylinder in Bewegung. Die Maschine aus schwarzem Metall wirkt neben den hochmodernen Offsetmaschinen aus der benachbarten Halle wie ein veraltetes Auslaufmodell. Doch der Eindruck täuscht, denn die Stanz- und Prägemaschine ist unkaputtbar. “Wenn man da etwas reinschmeißt rumst es nur kurz, aber dann läuft sie weiter,” erzählt ein Mitarbeiter der Druckerei. Er ist zuständig für die Maschine. Sie stanzt Formen in Papierbögen oder prägt Motive und Schrift in Drucksachen. Die Prägung ist eine Form der Druckveredelung. Weitere Formen sind beispielsweise die Beflockung, Lackierung oder das Aufbringen von Folien.
Viele dieser Techniken kannten die Studentinnen vorher nicht. Die Grundlagenkurse der ersten Semester reichten nicht aus, um alle kennen zu lernen. “Wir haben vier Wochen lang Druck- und Falttechniken gelernt,” sagt eine, “das ist aber zu wenig”. Eine andere ergänzt, sie sei im achten Semester und lerne bei dem Druckereibesuch immer noch Neues dazu.
Proofs sind Prüfdrucke, bei denen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Produktionskette das Druckergebnis simuliert wird, um Fehler rechtzeitig zu erkennen. Dabei wird die Farbe kontrolliert, die am Computerbildschirm oft anders aussehen kann als gedruckt.
Der Farbraum, in dem gedruckt wird, nennt sich CMYK. Die Buchstaben stehen für die Druckfarben Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Im Druck enstehen daraus alle anderen Farben.
Papiere haben verschiedene Grammaturen, die sich für verschiedene Anwendungsgebiete eignen. Beispielsweise werden Visitenkarten oft auf Papier mit einer höheren Grammatur gedruckt.
Als Ausschießen bezeichnet man das Anordnen der Seiten eines Druckerzeugnisses auf dem Druckbogen, damit sie nach dem Falten die richtige Reihenfolge haben.
Vom Bildschirm aufs Blatt
Neben den großen Hallen der Druckerei in Buchholz liegt ein kleines Büro. Stille. Nichts ist von dem Lärm der Druckmaschinen zu hören. Hier arbeitet die Druckvorstufe. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen machen die angelieferten Daten der Kunden druckfertig. Konzentriert wird an Computern gearbeitet. Zwei Mitarbeiter diskutieren über einen Kundenauftrag, andere begutachten über einen Leuchttisch gebeugt die Proofs. Bevor die Druckmaschinen in Gang gesetzt werden, prüfen sie die Dateien auf Fehler. Westerheider gesteht: “Mir ist es auch passiert, dass ich Daten angeliefert habe und die Leute aus der Produktion gesagt haben: Das sieht ja ganz nett aus Frau Westerheider, aber können sie das bitte auch so machen, dass wir das drucken können?”
So aufmerksam kontrollieren aber nicht alle. Es gebe auch lokale Druckereien, bei denen es ähnlich ablaufe, wie Online: “Da gehst du mit einem USB-Stick hin, gibst den ab, kriegt nichts mit und kannst nur noch beten, dass es gut aussieht,” erzählt eine der Nachwuchsdesignerinnen. Weisser vermutet, dass das aus einem Irrglauben entstehe: “Der Kunde hat das ja studiert und wird schon wissen, was er tut.”
Keine Ahnung, was Farbraum, Grammatur und Ausschießen mit Drucken zu tun haben? Es sind solche Fachbegriffe, mit denen Kommunikationsdesignerinnen laut Westerheider später im Berufsleben konfrontiert werden, die in der Hochschule nur selten vorkommen. “Es gibt auch Druckereien, die genervt sind, wenn man Sachen noch nicht weiß”, sagt eine Studentin.
Bachelorarbeit bei Beisner
Die Studentinnen schlendern zur Bahn. An ihren Armen baumeln braune Papiertüten an roten Kordeln mit der Aufschrift “#iloveprint”, darin Papiermuster und Plätzchen. Nach dem Besuch in der Druckerei in Buchholz fühlen sich die vier Studentinnen besser informiert als vorher. Sie hätten jetzt einen größeren Überblick darüber, was alles machbar sei.
Mit ausreichend Kenntnis und guter Vorarbeit ist es auch möglich, Online oder in kleinen Copyshops gute Ergebnisse zu erzielen. Auch das Experimentieren im Studium ist vor diesem Hintergrund leichter. Wenn sie als Bachelorarbeit ein Printprodukt macht, würde sie auf jeden Fall zu einer Firma wie Beisner gehen, sagt die Studentin im achten Semester. Eine Frage beschäftigt die Gruppe jedoch noch: “Wir durften da zu viert hinfahren und uns alles angucken. Aber was ist mit dem Rest?”
Die Studentinnen und Laura Westerheider haben das Erscheinungsbild des Rundgangs gestaltet, der halbjährig an der HAW stattfindet. Der nächste Rundgang ist vom 31. Januar bis zum 2. Februar auf dem Campus Armgartstraße.