In Hamburg sollen künftig auch Lehrende nicht christlicher Konfessionen Religionsunterricht geben. Wieso dieses Modell längst überfällig ist und bundesweit als Vorbild dienen sollte. Ein Kommentar. 

Bereits seit über 30 Jahren gibt es in Hamburg den “Religionsunterricht für alle”. Religion wird in der Hansestadt an staatlichen Schulen nicht konfessionsgebunden unterrichtet. Jetzt geht Hamburg den nächsten Schritt: Als erstes deutsches Bundesland dürfen hier künftig Lehrkräfte aller Konfessionen Religion unterrichten. Das ist sehr zu begrüßen und längst überfällig.

Bislang wurde der Religionsunterricht von der evangelischen Kirche verantwortet. Katholische Lehrende haben sich an dem Modellprojekt nicht beteiligt, sondern an den 21 katholischen Schulen konfessionsgebunden unterrichtet. Vertreter*innen der Aleviten, Buddhisten, Juden und Muslime durften beim “Religionsunterricht für alle” bloß den Lehrplan mitbestimmen, aber nicht selbst an der Tafel stehen.

Das ändert sich jetzt. Das Modell wurde an der Kurt-Tucholsky-Schule in Altona bereits getestet und soll jetzt auf alle staatlichen Schulen Hamburgs übertragen werden. Allerdings ist das noch zu klein gedacht: Der “Religionsunterricht für alle” sollte deutschlandweit übernommen werden, nicht nur in Hamburg.

Ein längst überfälliger Schritt

Trotz der Präambel des Grundgesetzes, die sich auf einen christlichen Gott bezieht – so haben die Väter des Grundgesetzes es damals höchstwahrscheinlich verstanden – hat das Christentum kein Vorrecht. Dass Hamburg mehrheitlich protestantisch geprägt ist, rechtfertigt ebenfalls nicht, dass evangelische Lehrende den Unterricht stellvertretend für alle Konfessionen verantworten.

Auch wenn es ein guter Schritt der evangelischen Kirche war, sich an dem Projekt zu beteiligen und sogar die Federführung zu übernehmen: Sie darf nicht länger allein als Sprachrohr anderer Glaubensrichtungen fungieren. Wenn Lehrende aller Konfessionen unterrichten, bekommen Schüler*innen weitaus authentischer Wissen vermittelt. Dieses Zusammenspiel fördert den interreligiösen Dialog, klärt Kinder besser auf und kann mit Vorurteilen aufräumen. Nur durch eine frühe Integration und fundierte Bildung – gerade in dem oft sehr umkämpften und heiklen Bereich der Religion – kann Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Hass etwas entgegengesetzt werden.

Vielfalt in der Schule

Hamburg wird vielfältiger. Seit 2015 wächst die Zahl der Zuwanderer in Deutschland. Das bringt Herausforderungen mit sich, besonders in der Schule. Hierfür veröffentlicht das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung für Eltern den Ratgeber “Vielfalt in der Schule” als Orientierungshilfe. Hier werden religiöse Fragen – wie beispielsweise zum Schwimmunterricht – beantwortet. Doch wer liest ihn? Und trägt er wirklich zur Aufklärung bei?

Deutschland wird nicht nur kulturell, sondern auch religiös diverser: Wie eine Statistik von Statista prognostiziert, soll bis 2050 die Verteilung der Religionszugehörigkeit in Deutschland prozentual bei allen Religionen – bis auf das Christentum – zunehmen, in manchen Bereichen zwar nur leicht. Und ja, das Christentum wird weiterhin die Mehrheitsreligion in unserer Gesellschaft bleiben und hat als diese kulturell und geschichtlich eine besondere Bedeutung. Aber andere Religionen und Konfessionen im Religionsunterricht mit einzubeziehen, sollte mittlerweile selbstverständlich sein.

Um weiter zu garantieren, dass in Hamburg nur staatliche Lehrkräfte mit vollständiger Ausbildung Religion unterrichten, hat die Uni Hamburg Studiengänge für angehende Religionslehrer*innen eingerichtet.

Ausweitung auf Bundesebene

Im streng katholischen Bayern oder im kaum religiösen Sachsen ist ein gemischt-religiöser Unterricht vielleicht nur schwer vorstellbar, aber er ist notwenig, um eine diverse und vorurteilfreiere Gesellschaft zu garantieren. Hamburg sollte ein Vorbild sein, ein “Religionsunterricht für alle”, bei dem Lehrer*innen aller Konfessionen unterrichten dürfen, ist bundesweit wünschenswert.

Anmerkung der Autorin

Ich wusste als Kind schon sehr früh, dass ich nicht an Gott glaube. Als ich in Hessen aufs Gymnasium kam, war für mich klar, dass ich trotzdem den evangelischen Religionsunterricht besuche. Ich hätte mich dort auch für den Ethikunterricht entscheiden können. Ich wollte mich aber mit der Religion und dem Glauben auseinandersetzen. Bis zum Abitur habe ich das gemacht und es hat mich bis heute bereichert. Deshalb halte ich den “Religionsunterricht für alle” für sinnvoll, ja notwendig.

Titelbild: Markus Scholz/dpa

2 KOMMENTARE

  1. Advent, Advent , ein Lichtlein brennt- aber nur ein ganz kleines. Mehr Licht in den Köpfen wäre besser! Wo soll der Vorteil sein, wenn hilflosen Kindern dieser religiöse Quark als Wissen verkauft wird! Schule soll neutral sein und Wissen statt Glauben vermitteln ! Glaube ist Privatsache und es ist Elternrecht, ihre Kinder religiös zu verziehen, aber die Schule sollte genau da gegenhalten. Wissen über Religionen ist ok, aber dann bitte im Geschichtsunterricht, wo dieses menschliche Phänomen hingehört. Werte vermittelt man am besten über Ethik, Philosophie und Evolutionsunterricht, wo Kinder begreifen, dass wir alle aus Gondwana kommen und von einer Affenart abstammen. RUFA läuft genau in die falsche Richtung und wird krachend gegen die Wand fahren. Wie naiv muss man sein, um zu glauben, dass da etwas Gutes passiert…!

    • Liebe Frau Wedekind, vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir freuen uns immer, wenn Leser uns ihre Meinung schreiben. Das Schöne ist ja, dass in unserer Demokratie Meinungen vielfältig sind. Mein einziger Hinweis ist, dass in dem Beitrag nicht der Religionsunterricht im Allgemeinen infrage gestellt wird. Vielmehr befürworte ich, dass Kinder von Religionslehrern unterschiedlicher Konfessionen ein authentischeres Bild der jeweiligen Religion vermittelt bekommen, und so Vorurteilen entgegengewirkt werden kann. Beste Grüße, Kim Staudt

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