Diese sieben Romane erzählen jüdische Alltagsgeschichten – mal spannend, mal traurig, mal humorvoll. Aber vor allem: im Hier und Jetzt. Eine literarische Annäherung an den jüdischen Glauben als Teil des modernen Lebens.
Ein Beitrag von Elena Bock und Marina Schünemann
Romane übers Judentum? Das weckt nicht selten Erinnerungen an Geschichtsunterricht oder Weltkriegs-Dramen. Und obwohl „Anne Frank“, „Der Junge im gestreiften Pyjama“ und „Die Bücherdiebin“ einen wichtigen Platz in der Literaturwelt einnehmen, gibt es noch so viel mehr zu entdecken. Hier kommen sieben Beispiele für modernes jüdisches Leben in der Fiktion – und geglückte Brücken zwischen Alltag, Glaube und Mensch.
Wo der Wolf lauert – Ayelet Gundar-Goshen
Lilach Schuster führt ein amerikanisches Vorzeigeleben im Herzen des Silicon Valley: Ihr Mann Michael ist ein erfolgreicher IT-Spezialist, der gemeinsame Sohn Adam fleißig und wohlerzogen. Dem Spannungsfeld ihrer jüdischen Identität hat die Familie mit ihrer Heimatstadt Tel Aviv den Rücken gekehrt. Doch dann stirbt Adams Mitschüler Jamal auf einer Highschoolparty unter mysteriösen Umständen – und tritt eine Welle an Fragen los: Welche Rolle spielt Antisemitismus um Amerika des 21. Jahrhunderts? Was hat Adam mit Jamals Tod zu tun? Und wie gut kennt man als Mutter sein Kind wirklich? FINK.HAMBURG-Redakteurin Elena Bock hat das Buch für euch rezensiert. Ihr Fazit: Ein Buch für Thriller-Fans, die sich auf eine emotionale Achterbahnfahrt begeben wollen.
Steckbrief
Genre: Thriller
Seitenzahl: 348
Erscheinungsjahr: 2021Verlag: Kein und Aber
Einband: HardcoverStimmung: spannend, verunsichernd
Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse – Thomas Meyer
Motti Wolkenbruch ist 25 Jahre alt und orthodoxer Jude. Alt genug, um endlich zu heiraten, findet seine mame. Deshalb organisiert sie mehrere schidechs pro Woche für ihren Sohn, bei denen sie ihn mit geeigneten jüdischen Frauen verkuppeln möchte. Ohne Erfolg, denn Motti ist in seine Kommilitonin Laura verliebt – eine schickse, also Nicht-Jüdin. Nach und nach entfernt sich Motti von den jüdischen Bräuchen und Traditionen und muss sich entscheiden, welche Art von Leben er künftig führen möchte. Das Buch ist ein humorvoller Einblick in eine jüdische Familie im 21. Jahrhundert und dem Spannungsverhältnis zwischen Glauben und Individualismus. Die Fortsetzung, “Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin” hat FINK.HAMBURG-Redakteurin Marina Schünemann für euch rezensiert.
Steckbrief
Genre: Roman
Seitenzahl: 288
Erscheinungsjahr: 2012Verlag: Diogenes
Einband: TaschenbuchStimmung: humorvoll
Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden – Michel Bergmann
Der Rabbi: Henry Silberbaum, leidenschaftlicher Krimileser. Der Kommissar: Robert Berking, eher brummig und nicht überzeugt von der wilden Theorie, die der Rabbi ihm vorlegt. Als eine alte Dame im jüdischen Seniorenstift plötzlich verstirbt, wittert Henry einen Mord. Er riskiert seinen Job, um die Wahrheit zu finden. Und auf einmal befindet sich das ungleiche Paar in einem lebensgefährlichen Mordkomplott. Lustig-leichte Unterhaltung für Krimifans.
Steckbrief
Genre: Krimi
Seitenzahl: 288
Erscheinungsjahr: 2021Verlag: Heyne
Einband: TaschenbuchStimmung: lustig, spannend
Zwischen Du und Ich – Mirna Funk
Zwischen Du und Ich. Zwischen Berlin und Tel Aviv: Nike lebt als Jüdin in Ostberlin. Eine Heimat, die sie an jeder Ecke mit der Vergangenheit konfrontiert. Ein Jobangebot in Tel Aviv führt sie nach Israel und in die Arme des Journalisten Noam. Zwischen den beiden wächst eine Liebe, die nicht nur von Nähe, sondern auch von tiefen Abgründen geprägt ist. Dieser Roman erzählt von Popkultur und Gesellschaftspolitik, von Gewalt und Liebe und davon, wie die Traumata der Vergangenheit zu den Chancen der Zukunft werden. Wer Lust auf einen furchtlosen Blick auf junge jüdische Identität hat, ist hier genau richtig.
Steckbrief
Genre: Roman
Seitenzahl: 304
Erscheinungsjahr: 2021Verlag: dtv
Einband: HardcoverStimmung: gefühlvoll, intensiv
Wer wir sind – Lena Gorelik
“Wer wir sind” ist ein autobiografischer Roman, in dem Lena Gorelik ihre Geschichte erzählt: In den neunziger Jahren flüchtete sie als junges Mädchen mit ihrer Familie von Russland nach Deutschland. Dort ist auf einmal alles anders: Die Hündin und die Erinnerungsstücke an Opa mussten zurückbleiben. Die Großmutter, die im Heimatland einen eigenen Betrieb leitete, ist nun eine Frau ohne Sprache. Bei den Eltern wächst eine Russland-Nostalgie im fremden Land. Und dazwischen Lena, die versucht herauszufinden, was Freiheit bedeutet und im Zwiespalt zwischen Stolz und Scham, Eigensinn und Anpassung erwachsen wird. Ein melancholischer, poetischer Roman für ruhige Stunden.
Steckbrief
Genre: autobiografischer Roman
Seitenzahl: 320
Erscheinungsjahr: 2021Verlag: Rohwolt
Einband: HardcoverStimmung: poetisch, melancholisch
Eine ganze Welt – Goldie Goldbloom
Eine (ungewollte) Schwangerschaft stellt im Leben einer Frau immer einen Bruch dar. Im Fall der ultraorthodoxen Jüdin Suri Eckstein ist dieser besonders einschneidend: Sie ist 57 Jahre alt, Oberhaupt einer Großfamilie, wichtiges Mitglied der chassidischen Gemeinde von Brooklyn – und schwanger. Mit Zwillingen. Es ist ein Schock, der von einem großen Schamgefühl begleitet wird: Diese Schwangerschaft passt nicht in das starre Regelwerk ihres Lebens. Suri fühlt sich alleingelassen mit ihrer Angst und beginnt vieles zu hinterfragen. Was im ersten Moment nach Stoff aus Teenie-Romanen klingt, wird von Goldbloom mit Tiefe und reif behandelt – ein spannender Kontrast.
Steckbrief
Genre: Roman
Seitenzahl: 288
Erscheinungsjahr: 2021Verlag: Hoffmann & Campe
Einband: HardcoverStimmung: fremd, faszinierend
Chuzpe – Lily Brett
Ruths Vater ist 87 Jahre alt und zieht von Melbourne zu seiner Tochter nach New York. Ruth denkt: Alles klar, der alte Mann möchte seinen Lebensabend bei seiner Familie verbringen. Ihr Vater Edek denkt: Klasse, in New York lasse ich es jetzt nochmal so richtig krachen. Er taucht bei Ruth im Büro auf, um auszuhelfen und fängt eine Beziehung mit der zwanzig Jahre jüngeren Polin Zofia an. Dann haben die beiden auch noch die spontane Idee, ein Restaurant an der Lower Eastside zu eröffnen, das auf polnische Fleischbällchen spezialisiert ist. Ruth kann es nicht fassen und bangt um ihr Erbe – und um ihre Nerven. Ein quirliger Vater-Tochter-Roman mit Witz, Wärme und Verstand.
Steckbrief
Genre: Roman
Seitenzahl: 447
Erscheinungsjahr: 2006Verlag: Suhrkamp
Einband: HardcoverStimmung: lustig, unbeschwert