H.P. Baxxter hält sich selbst wohl für den Allergeilsten. Das legt der Film “FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter” nahe. So witzig der Film auch ist, bleibt zwischen all dem “Hyper, Hyper” und fast 30 Jahren Bandgeschichte etwas auf der Strecke.
Der Film gibt Einblicke in das Bandleben von Scooter während der Corona-Pandemie. In 112 Minuten skizziert “FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter” unter anderem die 29-jährige Bandgeschichte, erstmals auch mit privatem Filmmaterial der Familie. Die Zuschauer*innen werden mit Backstage genommen und können im Kinosessel zu Scooter abfeiern. Gezeigt wird auch: Stress in der Band und Zoff beim Songwriten.
Der deutsche Dokumentarfilm hatte am 1. Oktober 2022 seine Weltpremiere beim Filmfest Hamburg. Drehbuch, Regie und Produktion wurden von Cordula Kablitz-Post geführt, die unter anderem bereits ein Künstler-Porträt über Die Toten Hosen drehte.
Im Mittelpunkt des Films steht Hans Peter Geerdes, besser bekannt als H.P. Baxxter. Er ist das Gesicht hinter Partyparolen wie “Hyper, Hyper” und “How much ist the fish?”. Der EDM-Musiker und seine beiden Bandmitglieder wurden über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren mit der Kamera begleitet – von Deutschland bis England. Der Film bringt dabei auch Scooters Tour auf die Leinwand, die pandemiebedingt verschoben werden musste.
Harte Schnitte, humorvolle Widersprüche
Regisseurin Cordula Kablitz-Post arbeitet immer wieder mit harten Schnitten. Im einen Moment: H.P. Baxxters Weihnachtsbaum, der sich langsam um die eigene Achse dreht. Dazu: Spieluhrmusik, idyllisch und ruhig. Schnitt. Dröhnende Partymucke. H.P. schwitzt beim Sport. Szenen, die kontrastreicher nicht sein könnten.
Immer wieder bedient sich der Film dieses Stilmittels. An anderer Stelle: H.P. sagt, er würde niemals in einem Autokino spielen. Schnitt. Nächste Szene: H.P. Baxxter, wie er ein Autokino bespielt – eine willkommene Einladung zum Lachen.
Auch abseits davon versteht Kablitz-Post es, visuelle Elemente erzählerisch einzusetzen. So auch, als gezeigt wird, wie die “Masken tragen”-Aufkleber vom Boden abgekratzt werden. Die Zuschauer*innen wissen auf Anhieb: Die Corona-Regeln flachen ab, es gibt keine Maskenpflicht mehr.
Musiker im Lockdown: Rampensau eingesperrt
Mit seiner Komik versüßt der Film den Zuschauer*innen die Zeit. Das liegt nicht zuletzt an den witzigen Kommentaren von H.P. Baxxter, einem Mann der sich mit einer viel zu großen Selbstverständlichkeit für den Allergeilsten hält – außer beim Songwriten. Allein die flapsigen Sprüche sind schon ein Grund, den Film zu gucken.
Allerdings – oder vielleicht gerade deshalb – fehlt dem Film zwischen all den Witzen emotionale Tiefe. Von H.P. Baxxter wird das Bild des Partyanimals gezeichnet. Aber wie ergeht es ihm, wenn all die Partys und Auftritte nicht stattfinden dürfen? Wenn ihm durch die Pandemie die Hände gebunden sind? Wie fühlt sich eine eingesperrte Rampensau? Nicht nur sind die Auftritte sein größter Lebensinhalt, als Berufsmusiker ist er auch finanziell davon abhängig.
Auch wenn der Film hier und da mal aufgreift, dass der Band etwas fehlt in diesen Corona-Jahren, gelingt es nicht, in dem Punkt weiter in die Tiefe zu gehen. Vielmehr werden die Zuschauer*innen teils ratlos zurückgelassen. Als H.P. Baxxter sagt, ihm fehle die Inspiration während des Lockdowns, ist die Erwartung hoch. Erfahren die Zuschauer jetzt mehr über Baxxters Einstellung? Schnitt. Fehlanzeige: Gezeigt wird sein aserbaidschanischer Teppich. Keine Antworten, keine großen Emotionen, stattdessen unerfüllte Erwartungen.
Verglichen mit anderen Dokumentarfilmen über Musiker*innen, wie beispielsweise dem über Taylor Swift, bekommen die Zuschauer*innen kaum ein anderes Bild von H.P. Baxxter, als sie es ohnehin schon haben. Vielleicht gibt es keine Tiefe bei Baxxter? Alles nur “Hyper, Hyper”?
Scooter-Film ohne Scooter: H.P. Baxxter im Mittelpunkt
Die Zuschauer*innen werden zwar nicht in H.P.s Gedanken gelassen, dafür umso öfter in Scooters Backstage-Bereich. Denn dafür, dass Corona war, ist in dem Film ganz schön viel Party zu sehen – und ganz schön oft H.P. Baxxter. Als Frontmann ist er der große Star mit großem Unterhaltungswert. Wir erfahren viel über ihn: vom “Barzwang”, ein alkoholisches Pflichtprogramm nach dem Auftritt, über Räuchersterstäbchen im Crewbereich, bis hin zu seiner Mutter, die ihn in seiner Jugend am liebsten eine verpasst hätte.
Vergleichsweise wenig erfahren die Zuschauer*innen über die anderen Bandmitglieder Sebastian Schilde und Michael Simon. Schade eigentlich, denn für viele ist ohnehin nur H.P. Baxxter das Gesicht der Band. Er ist die Band. Ebendas wird im Film von den anderen Bandmitgliedern kritisiert.
Eine volkommen berechtigte Kritik. Denn der Dokumentafilm untermauert das Bild: Scooter gleich H.P. Baxxter. H.P. ist zu 80 Prozent auf der Leinwand zu sehen. Das Wiedersprüchlichste daran: Der Film selbst zeigt, wie gefährlich das für die Band ist. Denn die Frage “Wer macht die meiste Arbeit?” sorgt immer wieder für Zoff. Beim Songwriten knallt es.
Dennoch ein lustiger Zeitvertreib
Wer jedoch nach einer witzigen, leichten Unterhaltung sucht, der wird bei diesem Dokumentarfilm definitiv fündig werden. Wer mehr als das – Gänsehaut, nasse Augen und große Überraschung – sucht, der ist mit einem anderen Film vermutlich besser bedient.