Die elfte Hamburger Klimawoche ist am Sonntag mit einem Konzert in der Elbphilharmonie zu Ende gegangen. FINK.HAMBURG hat sechs wichtige Veranstaltungen besucht und sechs wichtigste Erkenntnisse der Woche zusammengefasst.

1. Jeder ist in der Pflicht

„Ich habe in meinem ersten Semester, im Jahr 1960, an der Universität München zum ersten Mal vom erhöhten Treibhauseffekt in der Atmosphäre gehört“, erzählte Klimaforscher Hartmut Graßl bei der Eröffnung der elften Hamburger Klimawoche vergangenen Mittwoch auf dem Rathausmarkt. Graßl (79) ist der deutsche Pionier des Weltklimarats IPCC. Er war dabei, als der IPCC im Jahr 1988 als zwischenstaatliche Institution gegründet wurde. Der Weltklimarat fasst politischen Entscheidungsträgern den Stand der Forschung zum Klimawandel zusammen.

Der IPCC Sonderbericht über Ozeane, der passend zur Eröffnung der Klimawoche vorgestellt wurde, soll wie alle anderen Berichte des Gremiums die Basis legen für politische Entscheidungen zum Klimaschutz. “Wir müssen aufhören mit der ‘Berichteritis’ und endlich handeln”, fordert Graßl und bezeichnet das Klimapaket der Bundesregierung als “Paketchen”, das deutlich aufgebessert werden müsse.

Doch nicht nur die Politik sieht Graßl in der Pflicht: Die Menschen dächten zu kurzsichtig, interessierten sich nur für Fragen wie: “Steigt mein Gehalt?” oder “Geht mein Kind auf die richtige Schule?”. Dass es aber für die Kinder wichtig sei, jetzt sofort vom Auto auf die Öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen, daran denke niemand.

Klimaforscher Graßl übers Klimapaket | FINK.HAMBURG

2. Hamburg sollte handeln – auch aus Eigennutz

Der Hamburger Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sieht die Stadt Hamburg wegen des steigenden Meeresspiegels in Gefahr: “Wenn wir nicht ein Drittel der Stadt aufgeben wollen, müssen wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad beschränken.” Seine Partei wolle Hamburg bis 2035 klimaneutral machen. Dafür bedürfe es jedoch schnell wirksamer Maßnahmen wie etwa einen Kohleausstieg.

Kerstan schreckt beim Thema Klimaschutz nicht vor Geboten und Verboten zurück: “Wir können nicht nur weiter Anreize zum Klimaschutz schaffen und darauf warten, bis es auch der Letzte begriffen hat”, sagte der Umweltsenator. “Wir müssen auch auf das Recht zurückgreifen.” Er werde mit seiner Partei das unzureichende Klimapaket im Bundesrat blockieren und Nachbesserungen verlangen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Im Bundesrat sitzen neun Landesregierungen mit Beteiligung der Grünen. Sie haben die Mehrheit.

3. Klimaschutz fängt bei den Kleinsten an

Jedes Jahr findet im Rahmen der Hamburger Klimawoche ein Bildungsprogramm für Kindergartenkinder und Schüler statt. Dieses Jahr gab es 120 Workshops und Exkursionen für insgesamt 3000 junge Menschen. “Das Ziel des Bildungsprogramms ist es, den Kindern und Jugendlichen die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen näherzubringen und sie für den Klimaschutz zu sensibilisieren”, sagte die verantwortliche Koordinatorin Carla Wichmann zu FINK.HAMBURG am Rande der Jugend-Ozeankonferenz vergangenen Freitag auf dem Rathausmarkt.

4. Die Veränderungen sind längst da

Boris Herrmann ist professioneller Segler. Mit seinem Team Malizia war er Pate der Hamburger Klimawoche 2019. In diesem Sommer brachte er Greta Thunberg zur UN-Klimakonferenz nach New York. Auf der zweiwöchigen Reise über den Atlantik geriet die Besatzung der “Malizia II” in acht Stürme, zwei davon waren tropisch. Tropische Stürme treten normalerweise nur in den tropischen Gebieten rund um den Äquator auf und erreichen Windgeschwindigkeiten zwischen 62 und 114 Kilometer pro Stunde. “Ich hatte nicht damit gerechnet, auf dieser nördlichen Route tropische Stürme zu erleben”, sagt Hermann bei der Eröffnung auf dem Rathausmarkt. “Wir konnten jetzt schon sehen, wie sich das Klima ändert.”

Boris Herrmann Jugend-Ozeankonferenz
Boris Herrmann auf der Jugend-Ozeankonferenz am vergangenen Freitag auf dem Rathausmarkt. Foto: Tobias Bug

Er sei auf der Reise “vom Greta-Fan zum Mega-Greta-Fan” geworden. Sie habe ihm die Dringlichkeit der Klimakrise noch stärker vor Augen geführt. Auf der Jugend-Ozeankonferenz verriet er den anwesenden Schülern: „Greta wird wahrscheinlich erst in einem Jahr nach Europa zurückkehren. Wahrscheinlich wieder mit dem Segelboot.“

5. Die Treibhausgase müssen sofort reduziert werden

Im Rahmen der European Researcher’s Night war am Freitag die Seenotretterin Carola Rackete auf dem Rathausmarkt zu Gast. Die Ökologin war europaweit bekannt geworden, weil sie mit 40 Flüchtlingen, gegen den Willen des damaligen italienischen Innenministers Matteo Salvini, in den Hafen von Lampedusa eingefahren war. Nach einer Prognose der Weltbank könnte der Klimawandel bis 2050 140 Millionen Menschen zur Flucht zwingen.

“Die Welt wird sich drastisch verändern. Aber das Ziel ist nicht, eine perfekte Welt zu schützen, wie sie einmal war. Das Ziel ist es, die Treibhausgase sofort zu reduzieren”, sagte Carola Rackete vor ihrem Auftritt.

European Researchers' Night Carola Rackete Hamburger Klimawoche
Carola Rackete mit Moderator Frank Schweikert auf der European Researchers’ Night vergangenen Freitag auf dem Rathausmarkt. Foto: Marius Röer

6. Die Plastikflut gefährdet mittlerweile seine Verursacher

Im Rahmen der Hamburger Klimawoche 2019 gab es 250 Veranstaltungen an 14 verschiedenen Orten. Eine davon: Ein Vortrag von Lothar Hennemann zum Thema “Müll im Meer”. Der Greenpeace-Aktivist erklärte am Mittwoch in der Zentralbibliothek wie Plastikabfall die Ozeane gefährdet. “Jedes Jahr gelangen bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikmüll ins Meer”, sagte Hennemann. Ausgebreitet entspricht diese Menge der Fläche von Großbritannien.

Da etwa PET-Flaschen nicht verrotten, sondern erst nach 450 Jahren in immer winzigere Teilchen zerfallen, bedrohen sie Tiere und Pflanzen im Meer. “Über das Nahrungsmittel Fisch gelangt das Plastik auch wieder zu dem Verursacher, dem Menschen, zurück”, erklärte Hennemann. Was das für die Gesundheit des Menschen bedeute, werde derzeit erforscht. Es sei unmöglich, den bereits in den Ozeanen vorhandenen Plastikmüll zu entfernen, so Hennemann weiter. Viel wichtiger sei es, den Abfall von vornherein nicht ins Meer zu leiten.