Die Gastroszene leidet besonders unter den Corona-Maßnahmen. Drei Hamburger*innen haben ein gemeinnütziges Projekt gestartet, um Locations auf St.Pauli unter die Arme zu greifen: Sie verkaufen Kritzeleien aus Bar- und Clubtoiletten als Kunstdrucke.
“Kunst fürs Klo” nennt sich das Hilfsprojekt von René Piroth, Stefan Schoder und Anne Stein. FINK.HAMBURG hat die drei Freund*innen nach Feierabend zum Online-Interview getroffen: Ihr Hilfsprojekt managen die drei nämlich nach ihrem normalen Arbeitsalltag.
FINK.HAMBURG: Mit “Klokunst” verbinden viele eher plumpe Schimpfwörter oder schnödes Gekritzel auf abgeranzten Toiletten. Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, diese vermeintlichen Schmierereien zu fotografieren?
René: Die Ursprungsidee stammt aus der Zeit, in der man noch feiern gehen konnte. Ich fand es immer geil, wie viel Graffiti und Geschmiere auf den Club- und Bartoiletten ist, wenn man mal genau hinschaut. Manchmal sind es witzige Sprüche, manchmal aber richtige kleine Kunstwerke. Zuerst hatte ich überlegt, einen Instagram-Kanal für diese Klokunst aufzumachen.
Diesen Instagram-Kanal habt ihr mittlerweile. Allerdings auch einen Onlineshop und eine “Walking-Gallery”. Wie kam es dazu?
René: Als der erste Lockdown kam, habe ich direkt vor der Haustür mitbekommen, was da eigentlich abgeht. Stefan und ich wohnten mitten auf St. Pauli. Auf einmal war alles komplett leer, wie in einer Geisterstadt. Da wurde mir erst klar, wie existenzbedrohend diese Pandemie für manche Menschen eigentlich ist. Ich wollte deshalb aus dem Instagram-Konzept ein cooles, ehrenamtliches Hilfsprojekt machen. Da kam dann Stefan dazu, mit seiner Kamera und seinem guten Auge. Und dann eben Anne, die sich super mit IT auskennt. Sie hat unsere Website und unseren Shop gebaut.
Und dann seid ihr einfach so in die Clubs und Bars auf St. Pauli marschiert, um die Toiletten zu fotografieren?
Stefan: Genau so war es. Wir haben nach dem ersten Lockdown mit dem fotografieren angefangen. Ich bin mit René durch die Straßen gezogen und wir haben direkt vor Ort angefragt. Ich glaube aber, ehrlich gesagt, die meisten haben gar nicht so ganz verstanden, was wir da eigentlich vorhaben. Ist ja auch ein bisschen komisch in eine Bar zu laufen und zu fragen: „Hey, dürfen wir mal eure Klos fotografieren?“.
Über “Kunst fürs Klo”
Ins Leben gerufen wurde das Projekt von René Piroth (Werbefilmregisseur), Stefan Schoder (Projektmanager) und Anne Stein (Studentin). Die Bilder, die aus verschiedensten Locations auf St.Pauli stammen, werden als Kunstdruck nach Hause geliefert. Die Einnahmen der Bilder gehen laut “Kunst fürs Klo” fast vollständig an die Location, in der das Motiv aufgenommen wird.
René: Wir haben uns am Anfang aber auch echt dumm angestellt. Ich meine, wir sind da einfach aufgetaucht, haben fotografiert und komplett vergessen, uns die Rechte einzuholen. Als der zweite Lockdown kam, hatten wir dann zwar 280 fertig bearbeitete Bilder, aber keine Rechte daran. Wir haben krass viel rumtelefoniert und Mails geschrieben.
Das klingt nach einem ganz schönen Aufwand für ein ehrenamtliches Projekt, oder?
Stefan: Das ist es auch – ich glaube wir haben das alle drei unterschätzt. Alles, was “Kunst fürs Klo” betrifft machen wir schließlich ehrenamtlich nach unserer eigentlichen Arbeit. Aber es lohnt sich: Seitdem die ersten Bilder gekauft wurden, bekommen wir richtig viele positive Rückmeldungen.
René: In drei Wochen haben wir fast 1000 Bilder verkauft. Und selbst, wenn eine Location anfangs nur drei, vier oder fünf Bilder verkauft: Es ist trotzdem mit jedem Bild ein Zeichen, dass da draußen Leute sind, denen es nicht egal ist, ob ihre Lieblingslocation schließen muss oder nicht.
Inzwischen habt ihr euer Hilfsprojekt auch ausgeweitet und stellt in der Wohlwillstraße eine Auswahl eurer Bilder aus – kann da jede*r einfach so hin?
René: Ja, wir nennen das “Walking Gallery”. Interessent*innen können in den Fenstern von Locations, Läden und Privathaushalten in der Wohlwillstraße insgesamt 52 Bilder ansehen – vom Bürgersteig aus! Es ist total cool, dass St. Pauli da so zusammenhält und sich so viele Menschen bereiterklärt haben, ihre Fenster zur Verfügung zu stellen. Das ist ein richtiges Nachbarschaftsprojekt geworden.
Und die Einnahmen der Bilder, die über den Webshop gekauft werden, gehen dann direkt an die Locations?
René: Ja, man zahlt direkt an die Locations, weil sie ja auch die Bilder verkaufen. Wir geben ihnen nur die Plattform. Dafür stellen wir den Locations aktuell 5 Prozent der Einnahmen in Rechnung, um unsere eigenen Kosten zu decken – damit wir nicht selbst draufzahlen. Unsere Server kosten Geld, wir mussten auch gemeinsam mit einem Juristen unsere AGB aufsetzen und so. Wir selbst verdienen aber kein Geld mit “Kunst fürs Klo” und haben mit den Locations den Deal, dass wir den Prozentsatz noch weiter reduzieren wenn unsere Kosten gedeckt sind. Uns geht es ja darum zu supporten und dass möglichst viel für die Locations hängen bleibt.
Stefan: Das Ganze hätte auch nie ohne unsere Partner funktioniert. Die Druckerei Dürmeyer Print hat uns einen super Preis gemacht und die 52 Kunstdrucke für die Ausstellung kostenlos zur Verfügung gestellt. Außerdem sind noch Viva con Agua Art und der Placebo Kickers e.V. am Start – allen dreien möchten wir noch mal besonders danken.
Titelbild: Kunst fürs Klo