Hamburger Vereine mieten Hotelzimmer an, um obdachlose Menschen vor Kälte und Krankheit zu schützen. Die Hamburger Bürgerschaft lehnte Anträge zur Hotelunterbringung ab. Jetzt starben fünf Menschen in kürzester Zeit.
Nässe, Kälte und jetzt auch noch Corona – das Jahr 2021 startet tragisch, besonders für Menschen ohne Obdach. Insgesamt fünf von ihnen sind seit Silvester auf den Straßen Hamburgs ums Leben gekommen.
Ein 48-jähriger Mann hatte sich zum Schlafen auf eine Grünfläche nahe des Jungfernstiegs gelegt und ist nicht mehr aufgewacht. Ein 59-Jähriger wurde reglos auf seiner Isomatte im Schanzenpark aufgefunden. Auch für einen Mann auf dem Gehweg der Reeperbahn und einen weiteren auf dem Altonaer Hauptfriedhof kam jede Hilfe zu spät. Unter dem Überdach eines Mehrfamilienhauses in der Altonaer Virchowstraße konnte nur noch die Leiche eines 45-jährigen Mannes geborgen werden.
Mahnwache für verstorbene Obdachlose
Am Mittwochnachmittag haben sich die Mitarbeiter*innen von Hinz und Kunzt sowie Straßensozialarbeiter*innen und Engagierte zu einer Mahnwache nahe des Jungfernstiegs versammelt. Mit Grabkerzen gedenken sie den verstorbenen Obdachlosen und fordern mit einem Banner: „Öffnet die Hotels“.
„Ich bin heute hier, weil wir ein symbolisches Zeichen setzen müssen. Wir müssen schnell handeln und wir möchten, dass die Hotels geöffnet werden.“, so Johan Grasshoff, Straßensozialarbeiter für Obdachlose in der Hamburger Innenstadt. Fünf tote Menschen in den letzten 13 Tagen. „Es ist skandalös und es fehlen einem die Worte.“
Winternotprogramm der Stadt wird nicht angenommen
„Die Stadt stiehlt sich aus der Verantwortung, indem sie behauptet, im Winternotprogramm seien Betten frei“, so Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer zu Hinz und Kunzt. Seit dem 1. November stellt Hamburg zusätzliche Notschlafstellen in Sammelunterkünften zur Verfügung. Obdachlose Menschen können hier kostenlos und anonym einen Schlafplatz und eine warme Mahlzeit bekommen.
„Wir wollen das Notprogramm der Stadt nicht kleinreden“, sagt Grasshoff. „Doch die Menschen nutzen dieses Programm nicht und wir können nicht weiterhin auf das gleiche System setzen, wenn Menschen mitten unter uns versterben.“
Warum das Winternotprogramm nicht angenommen wird? Die Gründe seien seit vielen Jahren die gleichen, so Grasshoff. Es seien große Massenunterkünfte, in denen man sich mit mehreren Menschen einen Raum teile. Man müsse morgens die Unterkunft verlassen und immer in Bewegung bleiben. „Doch die Menschen brauchen einen privaten Raum für sich allein.“
Bürgerschaft lehnt Hotelzimmer für Obdachlose ab
Die Linksfraktion beantragte schon Ende letzten Jahres die Anmietung von 300 Hotelzimmern, um Menschen ohne Obdach vor der Kälte des Winters und der Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen zu können. Dieser Antrag wurde in der Bürgerschaft Mitte Dezember abgelehnt. Die Stadt verweist auf ihr Winternotprogramm.
Andreas Grutzeck, sozialpolitischer Sprecher (CDU): „Das sture Festhalten von Rot-Grün an den bisher im Winternotprogramm üblichen Sammelunterkünften ist dabei das Problem und keine Lösung.“ Es sei bekannt, dass einige obdachlose Menschen die Unterbringung in Sammelunterkünften meiden – und das unabhängig von dem zusätzlichen Risiko durch eine Ansteckung mit dem Corona-Virus. Die Angst vor Gewalt und Diebstahl seien Hauptfaktoren, die durch die Unterbringung in Hotel-Einzelzimmern verringert werden können. Damit keine weiteren Menschen auf den Straßen Hamburgs sterben, fordert auch Dr. Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin (DIE LINKE) den Senat auf, Hotelzimmer für die Menschen auf der Straße zur Verfügung zu stellen.
120 Obdachlose durch private Spendengelder untergebracht
Bisher ermöglichen ausschließlich private Spendengelder und das Engagement sozialer Initiativen die sichere Übernachtung Obdachloser in Hotels. Seit November mieten Vereine und Organisationen Hotelzimmer für obdachlose Menschen an, um sie so vor einem Kältetod zu schützen. „Diakonie, Alimaus und Hinz und Kunzt haben 90 Obdachlose mit Hilfe von Spendengeldern in Hotelzimmern untergebracht. Wir ermutigen die Stadt, uns darin zu folgen“, sagt Landespastor Dirk Ahrens dem Straßenmagazin.
Hamburger Kältebus
Zwischen 19 und 24 Uhr ist der Kältebus unter der Telefonnummer 0151 65683368 zu erreichen. Tagsüber kann unter der Hotline der Stadt Hamburg 040 428285000 angerufen werden..
25 Euro ermöglichen einem obdachlosen Menschen eine sichere und warme Nacht in einem Hotelbett, so der Verein Straßenblues. Mit der Gemeinschaftsaktion #hotelsforhomeless bittet der Hamburger Verein um Spenden. Auch durch einen Spendenaufruf des FC St. Pauli wurden 40.000 Euro für die Unterbringung obdachloser Menschen gesammelt. Mittlerweile konnten 120 Menschen in Hotels untergebracht werden. Sie nehmen das Angebot gerne an, so Grasshoff. „Sie sagen, sie seien ausgeruhter und fühlen sich körperlich besser.“ Sogar Menschen die seit Jahren die Hilfsangebotes der Stadt meiden, konnten in den sicheren Hotelzimmern untergebracht werden.
Wenn ihr Menschen seht, die der Kälte schutzlos ausgeliefert scheinen, sprecht sie an, ruft den Kältebus und wenn die Person nicht ansprechbar ist: alarmiert die 112.
Titelbild: Paula-Lu Wiedeking
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