Im Film “Ohne Rückkehr” sucht die adoptierte Protagonistin Freddie in Seoul nach ihren biologischen Eltern. Ihre fehlende Wandlungsfähigkeit gepaart mit lückenhafter Erzählung drängen die sensible Adoptionsthematik in den Hintergrund.
Von Maylin Rivero und Maria Gassner
Titelbild: Aurora Films, Vandertastic & Frakas Productions
“Ohne Rückkehr” (“Return to Seoul” im Original) beschäftigt sich mit den emotionalen Themen Adoption und Identitätsfindung. In der Umsetzung ist das jedoch nicht ganz gelungen. Der starke Blick der Protagonistin Freddie (Park Ji-min) ist anfangs vielversprechend, beweist sich aber im Laufe des Films als ihr einziger Gesichtsausdruck. Teilweise lässt sich das bestimmt auch durch ihre mangelnde Schauspielerfahrung erklären – schließlich stand Park Ji-min zum ersten Mal vor der Kamera.
Es mangelt an schauspielerischer Leistung
Das Publikum soll Freddie auf ihrer Identitätsfindung in Seoul begleiten, nimmt aber nicht richtig teil an dieser Reise. Freddies Gefühle und Gedanken bleiben den Zuschauernden verborgen. Spätestens bei der Begegnung mit ihren leiblichen Eltern erwartet man irgendeine emotionale Reaktion. Doch während ihre Mutter, die sie nach vielen Kontaktversuchen endlich treffen darf, in Tränen ausbricht, guckt Freddie genauso starr wie beim Hotel-Check-in. Dieses nichtssagende Pokerface behält die Protagonisten den ganzen Film über. Was sie fühlt, vermittelt die Schauspielerin nicht, was sie denkt, sagt sie nichtie.
Emotionale Momente werden vielmehr durch die Nebendarsteller*innen hervorgerufen. So lässt zum Beispiel das Wiedersehen mit ihrem leiblichen Vater (Oh Kwang-Rok) auf Grund seiner Darstellung das Herz schwer werden. Während man sich bei Freddies Mimik fragt: Warum scheint sie dauerhaft genervt?
Je länger der Film, desto mehr Fragen beim Zuschauen
Freddie wurde als Baby von französischen Eltern adoptiert. Der Film steigt damit ein, dass die 25-jährige Freddie in Seoul in ein Hotel eincheckt. Ihr Heranswachsen in Frankreich wird nicht gezeigt. Das wäre möglicherweise hilfreich gewesen, um ihren Carakter besser zu verstehen.
Die Suche nach ihrer Identität erstreckt sich über acht Jahre. Der Film zeigt in Jahresabständen einzelne Abschnitte in Seoul. Mit jedem weiteren Zeitsprung wird die Geschichte aufgrund fehlender Hintergrundinfos lückenhafter, weitere Fragen kommen auf.
Typisch Frau: Neuer Lebensabschnitt gleich neue Frisur
Genauso eintönig wie Freddies Gesichtsausdruck ist die Darstellung ihrer Identitätssuche im Laufe des Films. Jeder Wandel wird durch ein neuer Haarschnitt gekennzeichnet, eine tiefergehende Veränderung ihres Charakters vermitteln weder die Schaupielerin noch Filminhalte. Ähnlich klischeehaft wie eine neue Frisur für einen neuen Lebensabschnitt ist Freddies Reaktion auf Konfrontation: Frau kompensiert Unsicherheit durch das Verführen von Männern. Dadurch gibt es keine erkennbare Entwicklung des Charakters über die acht Jahre.
Nebenhandlungen lösen Verwirrung aus
Der Film ist langatmig, die Handlung ergibt an vielen Stellen wenig Sinn. Wahllose, teils überflüssige Szenen, unterbrochen von einigen Versuchen, dem Publikum ein paar Tränen herauszupressen, gewürzt mit einigen abwegigen Nebenhandlungen.
So wird Freddie nach einem Date an ihrem Geburtstag mit einem älteren Geschäftsmann zu einer Waffenhändlerin. Inwiefern das für die Geschichte relevant ist? Gar nicht. Oder: Nachdem sie einen Mann mehrmals getroffen hatte und dieser ihr schließlich seine Gefühle gesteht, reagiert sie aggressiv und weist ihn – fast schon genüsslich – ab. Im nächsten Moment versucht sie ihre Bekannte zu küssen. Der Vorfall wird nicht wieder aufgegriffen.
Gleichgültigkeit schlägt in Hartnäckigkeit um
Gut herausgearbeitet ist jedoch der Zwiespalt, in dem sich Freddie befindet: Will ich wissen, wer meine leiblichen Eltern sind? Diese Unentschlossenheit macht sich bei Freddie spürbar bemerkbar. In Seoul angekommen, ist ihre Intention, weshalb sie nach Südkorea gekommen ist, zunächst unklar. Nach anfänglichem Zögern bemüht sie sich, ihre biologischen Eltern zu finden.
Die Suche tritt sie zunächst mit einer scheinbaren Gleichgültigkeit an. Ziemlich schnell wandelt sie sich jesoch in Hartnäckigkeit um. Obwohl sie nach dem Treffen mit ihrem Vater abgeschreckt ist, tritt sie im Laufe der Jahre immer wieder mit ihm in Kontakt. Auch mit der misslungenen Kontaktaufnahmen zu ihrer Mutter gibt sie sich nicht zufrieden. Zwar sieht man es Freddies Mimik nicht an, aber ihr Verhalten lässt zeigt, wie wichtig ihr ihre Wurzeln sind.
Geschichtlicher Hintergrund zum Film
Freddie ist eines von vielen koreanischen Kindern, die in den 70er- und 80er-Jahren aufgrund von Armut zur Adoption freigegeben wurden. Gesprochen wird in Korea darüber bis heute nicht gern. Um so wichtiger ist es, dieses schambehaftete Thema in einem Film aufzugreifen, um der Tabuisierung entgegenzuwirken. Allerdings gelingt es dem Regisseur Davy Chou mit Freddies Geschichte nichtt das Publikum zu berühren.
“Ohne Rückkehr” läuft am 23. Januar 2023 in den deutschen Kinos an.
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