Für ihren Dokumentarfilm “One in a Million” begleitet Regisseurin Joya Thome zwei Mädchen über drei Jahre. Die Besonderheit an ihnen: Whitney ist Turnerin und Social-Media-Star aus den USA, Yara ihr großer Fan. FINK.HAMBURG hat die Dokumentation im Rahmen des 30. Filmfest Hamburg gesehen.
Titelbild: Filmfest Hamburg
Nie zuvor konnte man seinem Idol so nah sein wie jetzt, dank Plattformen wie Instagram oder Youtube. Joya Thome hat sich gefragt, wie es ist, mit Social Media aufzuwachsen – was manche Generationen bereits tun. Über ihr Interesse für Fan-Idol-Beziehungen hat sie ihre Protagonistinnen für den Dokumentarfilm “One in a Million” gefunden: Whitney Bjerken, amerikanische Turnerin und Youtube-Star und Yara Storp, eine von Whitneys Fans aus Deutschland.
Whitney teilt ihr Leben in den sozialen Medien: Trainings, Wettkämpfe, Zeit zu Hause und mit Freundinnen, die Kamera ist immer dabei. Selbst bei Rückschlägen durch Verletzungen und Operationen ist sie gut gelaunt. Der Film beginnt mit einem Ausschnitt aus einem von Whitneys Videos: Darin knackt sie die Ein-Millionen-Follower*innen-Marke auf Youtube. Zu dem Zeitpunkt ist sie etwa 13 Jahre alt.
Eine aus einer Million Followern*innen: Yara Storp, Schülerin in Neumünster. Sie ist Inhaberin einer beliebten Fanpage auf Instagram. Außerdem turnt sie selbst, Whitney inspiriert sie. Über den Film hinweg sieht man sie immer wieder, wie sie Posts für Instagram erstellt. Abgesehen davon kommt ihr Fan-Sein kaum zur Sprache: Yara wird als eigenständiger Mensch gezeigt. Sie wird nicht auf ihre Bewunderung für ihr Idol reduziert.
Fan-Idol-Beziehung: In “One in a Million” auf Augenhöhe
Yara und Whitney werden den ganzen Film über auf gleicher Augenhöhe gezeigt. Das macht diesen Film sehr gelungen. Das dreiköpfige Filmteam hat es über mehrere Jahre hinweg – inklusive Corona-Pause – geschafft, den Mädchen sehr nahezukommen. Thome und ihr Team sind bei beiden zu Hause, sie sind bei Familienfeiern und -konflikten dabei. “One in a Million” gibt seinen Protagonistinnen viel Raum, von sich und ihrem Leben zu erzählen.
Die Montage des Films arbeitet deutlich heraus, dass Whitney und Yara zwar unter sehr unterschiedlichen Bedingungen aufwachsen, aber sich in mancher Hinsicht trotzdem sehr ähnlich sind. Wann immer die Perspektive gewechselt wird, passiert das an einer Stelle, die entweder einen deutlichen Unterschied oder eine Schnittstelle im Leben der beiden Mädchen zeigt.
In “One in a Million” begleitet man die Mädchen über drei Jahre, zum Ende sind die beiden 16 Jahre alt – eine ereignisreiche, prägende Zeit. Der Film gibt einen intimen Einblick in das Leben der Protagonistinnen, ohne sich jemals als Voyeur*in zu fühlen. Die sensible Art von Thome, sich den Mädchen zu nähern, regt dazu an, sich an die eigene Pubertät zu erinnern: Sich wandelnde Freundeskreise, das erste Mal verliebt sein und der Druck von Eltern und Lehrer*innen schon mit 16 wissen zu müssen, was man irgendwann nach der Schule machen möchte.
Persönliche Erfahrungen für ein breites Publikum
Auch wenn durchschnittliche Zuschauer*innen Whitneys Doppelbelastung – Leistungssport und eine millionenstarke Fanbase auf den sozialen Medien – nicht aus eigener Erfahrung kennen, fühlt man mit ihr mit. Online zeigt sie nur einen sehr kuratierten Ausschnitt aus ihrem Leben. Im Film sieht man sie mit ihrem Vater darüber diskutieren, welches Bild sie von sich vermitteln möchte. “One in a Million” macht klar, dass auch das Influencer*innen-Leben von Höhen und Tiefen geprägt ist, jedoch ohne den Zeigefinger des Medienpädagogen zu erheben.
Momentan läuft der Film hauptsächlich auf Jugendfilm-Festivals. Und vielleicht ist er gerade für dieses Publikum wertvoll: Kinder und Jugendliche, die selbst mit sozialen Medien aufwachsen, selbst zu Influencer*innen aufsehen und schnell übersehen, dass auch deren Leben nicht nur aus den Momenten besteht, die man gerne mit einem Millionenpublikum teilt.
Ist “One in a Million” deshalb nur ein Dokumentarfilm für junge Zuschauer*innen? Keinesfalls, denn er zeigt, dass die Erfahrungen von zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Mädchen auch ziemlich universell sein können. Der Film ist an vielen Stellen lustig, an anderen nachdenklich. Egal ob man in Yaras und Whitneys Alter ist, Ende 20 und sich an seine eigene Teenager-Zeit erinnert oder Elternteil eines pubertierenden Kindes ist – mitfühlen muss man immer.