„Makala“ ist ein Dokumentarfilm, der die harte Realität eines kongolesischen Arbeiters zeigt – in Spielfilmästhethik und unkommentiert. Die Unterschiede zum vergleichsweise luxuriösen Lebensstil des Westens werden offensichtlich.
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Morgengrauen. Ein Hahn kräht. Rosa Lichtstrahlen verschmelzen mit dem hellen Blau des Himmels, während Kabwita Kasongo mit Spaten und Axt zwischen Lehmhütten entlanggeht. Er ist Köhler in Walemba, einem kleinen Dorf in der kongolesischen Einöde. Die Kamera folgt ihm dicht, als er weiter durch Felder läuft und sich vor ihm ein weites Tal auftut. Vereinzelte ragen Baumriesen aus der kargen Fläche, deren Äste sich wie Korkenzieher gen Himmel strecken. Vor einem davon bleibt der 28-Jährige stehen. Dann fängt er an zu hacken. Immer wieder holt er aus, die Axt schwingt knapp an der Kamera vorbei, man hört ihn atmen und vor Anstrengung ächzen. Dann gibt es einen Szenenwechsel: Vor der Hütte der Familie brät seine Frau Lydie eine Ratte für ihre Kinder. Das ist Alltag im südlichen Kongo.
Die Aufnahmen sind lang, die Bilder ruhig. Und durch die extrem klare Akustik wird die harte Arbeit für den Zuschauer erschreckend nachvollziehbar. In dieser intimen Art begleitete der französische Filmemacher Emmanuel Gras seinen Protagonisten und führt uns die Realität des Lebens in Armut direkt vor die Augen. Dabei ähnelt die Ästhetik der Aufnahmen sehr Gus van Sants Experimentalfilm „Gerry“ von 2002, in dem Matt Damon und Casey Affleck durch eine Wüste wandern. Und auch der Regisseur betont, dass er den realistischen Inhalt des Films durch expressive Bildwelten unterstreichen wollte – das düstere Cellospiel tut als musikalische Begleitung sein Übriges.
Keine Gnade für die Armen
Emmanuel Gras fragte sich zu Beginn der Dreharbeiten: „How much effort for how much reward?“ Und sein Film ist die Antwort auf diese Frage. Kabwita arbeitet sieben Tage fast ununterbrochen. Er will 15 Wellblechplatten kaufen, um ein Haus zu bauen. Dann würde er Apfel-, Orangen-, Mangobäume pflanzen und einen kleinen Teich für seine Enten bauen. Bisher zahlt er noch Miete für die Lehmhütte, in der er mit seiner Frau und zwei kranken Kindern lebt. So ähnelt er der alttestamentarischen Figur des Hiob, dessen Glaube mit harten Prüfungen auf die Probe gestellt wird.
Schonungslos fängt Gras den unverhältnismäßigen Aufwand ein, den Kabwita betreiben muss, um seine Familie zu ernähren. Er folgt seinem Protagonisten bei der schweißtreibenden Plackerei vom Fällen eines Baumes über die Herstellung der Kohle im erdhügelartigen Ofen bis hin zum Verkauf in der 50 Kilometer entfernten Stadt. Der Marsch dorthin allein dauert drei Tage, in denen Kabwita sein mit 15 Säcken beladenes Fahrrad unter extremer körperlicher Belastung über erdigen Boden schiebt. Hiobsbotschaften prasseln in Form von Erpressung und Unfällen auf ihn ein. „Forget about mercy“, sagt ein Geldeintreiber, der ihm einen Sack Kohle abnehmen will, und charakterisiert damit das Leben von 1,4 Milliarden in Armut lebenden Menschen weltweit.
Endlich auf dem Markt angekommen, feilschen seine Käufer um einen Rabatt wegen der Rezession. Für seine Ware bekommt er nur umgerechnet 30 Euro. Eine Wellblechplatte kostet sechs Euro. Kabwita Kasongo betet: „Father come to my rescue“.
„Makala“ ist kein leichter Film. Er ist handlungsarm und so schonungslos in seiner Darstellung, dass es schmerzt. Aber er vermittelt Eindrücke, die man benötigt, wenn man ein Gefühl für das Gefälle des globalen Wohlstands entwickeln will. Als Zuschauer sollte man sich fragen: Wieviel Aufwand muss man hierzulande betreiben, um 15 Wellblechplatten zu besorgen?