Dem US-Präsidenten wird mehr Einfluss zugeschrieben als allen anderen Anführer*innen der Welt. Aber was darf der US-Präsident eigentlich genau und warum machen ihn seine Befugnisse so mächtig? FINK.HAMBURG hat die Faktenlage gecheckt.

1. Kann der US-Präsident einfach so Gesetze erlassen?

Kurz gesagt: Nein. Laut Verfassung geht die Gesetzgebung vom Kongress – also dem Senat und Repräsentantenhaus – aus.

Lage zur US-Wahl 2020
Extrem unterschiedliche Kandidaten, ein tief gespaltenes Land und ein Kongress, der in großen Teilen neu gewählt wird: Die US-Wahl 2020 ist in jeder Hinsicht historisch. Wie wichtig ist die Briefwahl? Was passiert in den kommenden Tagen? Und wird die Wahlbeteiligung so hoch ausfallen wie seit einem Jahrhundert nicht mehr? FINK.HAMBURG verfolgt für euch die Wahl und liefert Hintergründe, Erklärungen und Neuigkeiten, wenn es heißt: Trump oder Biden?

Der US-Präsident hat allerdings ein Vetorecht für Gesetze, die vom Kongress verabschiedet wurden – und dieses Veto kann nur dann gekippt werden, wenn zwei Drittel des Kongresses gegen dieses Veto stimmen.

Trotzdem hat der Präsident zahlreiche Möglichkeiten, um Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen: So kann er dem Kongress jederzeit Gesetze vorschlagen und Sondersitzungen für diese Vorschläge anberaumen.

Hinzu kommt, dass kein politisches Amt eine größere Öffentlichkeit erhält, als das des US-Präsidenten. Durch seine Aussagen und Handlungen beeinflusst er die politische Stimmung im Land und somit langfristig auch die Gesetzgebung.

2. Wie viel Macht hat der US-Präsident in der Außenpolitik?

Wirft man einen Blick auf die internationale Medienlandschaft wird schnell klar, wie groß die Wirkung des US-Präsidenten auf die Weltpolitik ist: Berichterstattung ist omnipräsent. Aber auch in der amerikanischen Verfassung werden dem Präsidenten zahlreiche Befugnisse im Bereich der Außenpolitik eingeräumt.

Der US-Präsident kann alle politischen Positionen besetzen, die eine große Außenwirkung haben: Das sind unter anderem Botschafter*innen, Minister*innen und Konsuln.

Außerdem kann der US-Präsident ohne die Zweidrittelmehrheit des Kongress sogenannte “Executive Agreements” mit anderen Ländern abschließen: Barack Obama hat so ein Agreement beispielsweise während seiner Amtszeit mit Kuba abgeschlossen. Das Land wurde daraufhin von der amerikanischen Liste potenzieller Sponsor*innen von Terrorismus gestrichen.

3. Welche Macht übt der US-Präsident auf die Gerichte aus?

Die meisten Entscheidungen der US-Gerichte kann der US-Präsident nicht direkt beeinflussen. Der amtierende Präsident verfügt allerdings über das Recht, verurteilte Menschen zu begnadigen, und zwar ohne die Zustimmung des Senats oder Repräsentantenhauses. Sich selbst kann der US-Präsident laut Verfassung übrigens nicht begnadigen.

Den größten Einfluss hat der US-Präsident allerdings dadurch, dass er Richter*innen und Beamt*innen ernennen kann. Zuletzt hat Donald Trump diese Befugnis mit der Ernennung der Richerin Amy Coney Barrett genutzt und somit das konservative Lager des Supremecourts, dem obersten Gerichtshof der USA, gestärkt.

4. Wie groß ist die Macht des US-Präsidenten in der Exekutiven?

Der US-Präsident hat laut Verfassung viele exekutive Befugnisse. Besonders wichtig für die Umsetzung seiner Politik sind die Leiter*innen aller Ministerien und Behörden. Amtsinhaber*innen kann er nach Zustimmung durch den Senat selbst ernennen. Hat der US-Präsident die Mehrheit im Senat, werden diese Nominierungen in der Regel auch durchgesetzt.

Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der amtierende US-Präsident außerdem Leiter einer der größten Armeen der Welt: Zwar darf er keinen Krieg ohne die Zustimmung des Kongresses beginnen; durch Zusatzartikel in der Verfassung – wie etwa den Insurrection Act – kann er das Militär allerdings zum nationalen Dienst einberufen, wie zuletzt nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd.

Das wichtigste exekutive Mittel sind die Präsidialerlasse, die er ohne Zustimmung aus dem Kongress beschließen kann – vorausgesetzt, sie widersprechen nicht geltendem Recht. In der Geschichte der Vereinigten Staaten machte so gut wie jeder Präsident von diesem Mittel Gebrauch. Barack Obama nutzte dieses Mittel in seinen acht Jahren Amtszeit 276 Mal, Donald Trump während seiner ersten Amtsperiode 193 mal.  Die Präsidialerlasse sind aber alles andere als unumstritten: Oft herrscht Uneinigkeit darüber, ob gewisse präsidiale Dekrete rechtens sind.

5. Wo sind die Grenzen der Macht des US-Präsidenten?

Die lange Liste an Befugnissen zeigt, wie viel Macht ein US-Präsident eigentlich innehält. Gleichzeitig gibt es im politischen System der USA viele Sicherheitsmechanismen, die ein Regieren im Alleingang erschweren.

Es ist schwierig, Gesetze aus der vorherigen Regierung zu kippen – das zeigt Trumps langer Versuch, die gesetzliche Krankenversicherung der Obama-Regierung zu Fall zu bringen.

Zudem übernimmt ein neuer Präsident den finanziellen Haushalt, der von der vorangegangenen Regierung beschlossen wurde. Ein direktes Umlenken nach der Wahl gestaltet sich daher als schwierig.

Und: Durch das Zweiparteiensystem aus Republikaner*innen und Demokrat*innen zeigen sich Senat und Repräsentantenhaus oft unkooperativ, was Veränderung im politischen System angeht.

Unsere Analyse zeigt: Oft ist die rechtliche Lage unklar. Etwa, wenn es darum geht, Richter*innen für das Supreme-Court kurz vor den Neuwahlen zu ernennen oder das Militär zur Eindämmung von nationalen Unruhen einzusetzen. In der amerikanischen Verfassung fehlt es trotz vieler Zusatzartikel in vielen Bereichen an Klarheit darüber, was der US-Präsident nun genau darf und was nicht – das macht es schwer, ein eindeutiges Urteil über die genauen Machtgrenzen des US-Präsidenten zu fällen. Und das macht die Wahl und dei Frage, welches Ergebnis an Ende gilt, zusätzlich spannend.

Hast du aufgepasst? Dann teste jetzt dein Wissen in unserem Quiz!

[wp_quiz id=”86578″]

Beitragsbild: Unsplash, FINK-Collage

3 KOMMENTARE

Comments are closed.