Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof darf abermals nicht zum Filmfest Hamburg reisen, wo sein neuer Film „A Man of Integrity“ gezeigt wird. Ein Interview mit seinem Freund und Festivalleiter Albert Wiederspiel über Repression und Widerstand.
Mohammad Rasoulof wurde 1972 in Shiraz geboren. Mit neun Jahren begann er dort schon Theater zu spielen. Während seines sozialwissenschaftlichem Studiums arbeitete er weiter am Theater. Seit seiner Jugend treiben ihn soziale und gesellschaftspolitische Fragen um.
FINK.HAMBURG: Wie haben Sie Mohammad Rasoulof kennengelernt?
Albert Wiederspiel: Wir haben beim Filmfest 2005 seinen Film „Iron Island“ gezeigt. Da habe ich ihn kennengelernt. Ich war fasziniert von dem allegorischen Charakter und der Sprache dieses Films. Schnell faszinierte mich aber auch die mitreißende Persönlichkeit Rasoulofs, der so sehr für seine Filme und für sein Land brennt, dass es ansteckend ist. Man fiebert mit ihm. Sechs Jahre später haben wir uns wiedergetroffen, als sein Film „Goodbye“ das Filmfest eröffnet hat. Damals hatte er schon Probleme im Iran. Er wohnte für ein paar Monate in Paris und ahnte schon, dass er und seine Familie über kurz oder lang ins Ausland müssen.
Und Sie haben ihm geholfen?
Ja, wir haben zusammen mit der Stiftung für politisch Verfolgte erst Mohammad hergeholt und dann zeitnah auch seine Frau und sein Kind. Jetzt sind zumindest die beiden fest in Hamburg. Mohammad weigert sich jedoch, ein Exilregisseur zu sein und lebt teilweise in Teheran, aber größtenteils in Hamburg. Er findet, dass er das Recht hat, in seinem Heimatland zu bleiben und dass es auch seine Pflicht ist, dort zu arbeiten. Einmal hat er mir gesagt, dass er nur Filme über den Iran machen kann und deshalb sieht er nicht ein, wieso er nicht dort sein sollte. Allerdings wurde noch keiner seiner Filme dort veröffentlich.
Das wird auch jetzt der Fall sein, oder?
Definitiv, obwohl er sogar eine Drehgenehmigung hatte, im Gegensatz zu seinem Film „Manuscripts don’t burn“, den er dort teilweise illegal drehte. Die Innenszenen wurden damals jedoch größtenteils in Hamburg gedreht.
In „Manuscripts Don’t Burn“ kritisiert Rasoulof das iranische Regime direkt und unverblümt. Bei seinem neuen Werk, „A Man of Integrity“ befasst er sich mit einer korrupten Gesellschaft und Privatunternehmern – kam das Reiseverbot für Sie überraschend?
Ich kann es mir nach wie vor nicht erklären und will es ehrlich gesagt auch nicht. Da, wo es keine Logik gibt, sollte man nicht danach suchen. Von Mohammad habe ich gehört, dass er einem größeren Risiko ausgesetzt ist, als bei „Mansuctipts Don’t Burn“. Das kann ich nicht verstehen, weil der Film nicht das Regime kritisiert, sondern einen menschlichen Zustand in einer bestimmten Gesellschaft abbildet, der so oder so ähnlich überall auf der Welt spielen könnte. Auch in Europa.
Wie lief denn diesmal die Zusammenarbeit mit der Zensurbehörde im Iran ab, wenn sogar eine Drehgenehmigung erteilt wurde?
So, wie ich es von Mohammad gehört habe, gab es ab und zu ein paar Besucher am Set, aber er konnte ungehindert drehen. Noch vor der Aufführung in Cannes machten die Behörden allerdings eine ganze Menge Schnittauflagen, die er nicht erfüllt hat.
Gab es eine offizielle Begründung für den Entzug seines Passes?
Ich glaube, ihm wird das gleiche vorgeworfen wie im Jahre 2010, als er einen Film über die Proteste nach der iranischen Präsidentschaftswahl drehte: „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit, Aufruhr und Propaganda gegen die Islamische Republik“. Damals wurde er zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Im Endeffekt wurde ihm nur die Arbeitserlaubnis für ein Jahr verweigert und die Haftstrafe blieb aus. Dieselbe Strafe wie damals befürchtet er jetzt allerdings auch.
Falls sie mit ihm in Kontakt sind: Wie geht Rasoulof damit um?
Mohammad ist eine Kämpfernatur. Er sieht sich angeklagt und weiß, dass er dagegen angehen muss. Deswegen gibt er nicht nach und will die Situation nicht annehmen.
Er wehrt sich gegen Ungerechtigkeit und ist damit dem Protagonisten seines neuen Films sehr ähnlich. Wie viel Rasoulof steckt in Reza?
Ja, er wehrt sich und das ganz zu Recht. Insofern sind Mohammad und Reza sich tatsächlich ziemlich ähnlich. Sie würden beide nie nachgeben.
Wir sprachen zu Beginn schon kurz von seinem 2011 in Cannes gezeigten Film „Goodbye“, der von einer jungen Iranerin handelt, die auf ihr Ausreisevisum wartet. Könnte man behaupten, dass er damit seine jetzige Lage antizipiert hat?
Ohne je im Iran gewesen zu sein, glaube ich, dass das eine Situation ist, die für so wahnsinnig viele Iraner und Iranerinnen gilt, die in eine endlose Warteschleife gesteckt werden. Und auch Mohammad ist jetzt abermals in dieser Situation. Ihm wurde der Pass abgenommen und nun soll er warten.
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Ist abzusehen, ob weitere Einschränkungen in Bezug auf zukünftige Arbeiten zu erwarten sind?
Das kann man schlecht sagen, aber wir können sehen, dass sein Freund und Kollege Jafar Panahi tatsächlich ein Arbeitsverbot von 20 Jahren bekommen hat und das ist anscheinend die Messlatte, mit der man im Iran operiert. Das riskiert Mohammad selbstverständlich auch. Genauso wie ein generelles Ausreiseverbot, was sehr unglücklich wäre, da Frau und Kind eben in Deutschland sind.
Nachdem Mohanmmad Rasoulof schon 2013 nicht zum Filmfest reisen durfte, sagte er in einem Interview im Jahr 2015: „Seit der Wahl von Rohani vor zwei Jahren haben sich die Verhältnisse etwas beruhigt“ – und trotzdem darf er nicht ausreisen. Woran liegt das?
Nach den Wahlen damals hatten alle ein positives Zukunftsgefühl. Alle sprachen von einer Tauwetterstimmung. Auch Mohammad ist inzwischen enttäuscht, weil der Wandel nicht so groß war, wie erhofft.
Hat er sich nach all diesen Repressionen und den damit verbundenen Enttäuschungen irgendwie verändert? Ist er zaghafter oder vorsichtiger geworden?
Überhaupt nicht. Der Widerstand liegt in seiner Natur. Er fühlt sich quasi dazu aufgefordert, noch provokanter zu sein.