Durch einen Kuss gerät eine Freundschaft zwischen zwei Männer ins Wanken. Mit “Matthias & Maxime” produzierte der Regisseur Xavier Dolan einen pulsierenden Film über die Hindernisse des Erwachsenwerdens.
Matthias (Gabriel D’Almeida Freitas) und Maxime (Xavier Dolan) sind schon seit ihrer Kindheit befreundet. Maxime plant, für zwei Jahre nach Australien zu gehen. Die Clique will seinen Abschied gebührend feiern – mit einer Reihe an Partys. Der frankokanadische Film “Matthias & Maxime” erzählt die Geschichte einer Freundschaft unter Männern und was passiert, wenn aus Freundschaft Liebe wird. Regisseur Xavier Dolan übernimmt in seinem neuen Film wieder eine der beiden Hauptrollen.
Dolan, geboren in Montreal, hat mit seinen gerade einmal 30 Jahren schon acht Filme gedreht. In seinen Filmen ist er Regisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent oder Schauspieler. Für seine Filme “Mommy” und “Einfach das Ende der Welt” erhielt Dolan den “Großen Preis der Jury” auf dem Filmfest in Cannes, auf dem er schon fünf Mal seine Werke vorstellte.
Ein Wochenende im Landhaus ist für die Freundschaft von Matthias und Maxime entscheidend. Die Schwester eines gemeinsamen Freundes sucht für ihren studentischen Kurzfilm noch zwei Schauspieler für eine Kuss-Szene. Max meldet sich freiwillig, Matt gezwungenermaßen nach einer verlorenen Wette. Der Kuss vor der Kamera wird kurz vor dem Berühren der Lippen ausgeblendet. Dann folgt ein Schwarzbild.
“Bist du bereit für deine Nahaufnahme?”, fragt Matt, als die beiden jungen Männer kurz vor ihrer Kussszene an einem Steg sitzen. Gekonnt baut der Regisseur langsam die Spannung zwischen den beiden auf. Kurz bevor bei ihnen einiges durcheinandergewirbelt wird, wirbeln die Blätter in einer grobkörnigen Nahaufnahme in den Wolkenhimmel. Die Sicht verschwimmt.
Nach der Kuss-Szene weicht Matt seinem Freund aus, kaut häufig an seinen Fingernägeln und beleidigt Max auf der Party nach dem Dreh wegen seines Geburtsmals im Gesicht: “Schnauze, Tintenfleck!”. Im Laufe des Abends kommen sie sich auf der Feier trotzdem körperlich näher: Ihre Lippen berühren sich und Maxs Hände greifen in Matts Haare. Beide schwanken zwischen Nähe und Distanz. Besonders Matt unterdrückt das Gefühl, das zwischen ihm und Max mehr als nur freundschaftliche Zuneigung vorhanden sein könnte.
Gemischte Gefühle: zwischen Schnee und Regen
Nach dem Kuss steht Max im Schneeregen. Mit gemischten Gefühlen. Der Abflug nach Australien rückt immer näher. Wie bei einem Countdown zählt Dolan die verbleibenden Tage runter: “Noch zwölf Tage bis zum Abflug”, “Noch acht Tage bis zum Abflug”. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um das zu klären, was zwischen Max und Matt aufkeimt und doch unterdrückt werden soll.
Das Verlangen der beiden ist nur schwer physisch greifbar, eher ein unterschwelliges Gefühl. Es schwingt in Alltagssituationen mit, obwohl die beiden sich kaum begegnen. Denn der Alltag der beiden könnten nicht unterschiedlicher sein. Max arbeitet in einem Stripclub als Kellner. Matt ist Anwalt in der Großkanzlei seines Vaters. Er kommt aus einem behüteten Zuhause, während Max der Betreuer seiner Mutter ist, einer trockenen Alkoholikerin. Für sie besitzt er die Vormundschaft.
“Matthias & Maxime” zeigt, wie schön es ist an der Jugend festzuhalten, da diese, mit all ihren Möglichkeiten, voller Freiheit ist. Und wie schwer es fällt, diese Zeit zurückzulassen. Es geht um Aufbruch und Abschied, um Orientierung und um Zugehörigkeit. Dolan fängt ein, wie unsicher es sich anfühlt, erwachsen zu werden und wie schwer es ist, die Persönlichkeit mit Mitte 20 zu festigen.
Bilder voller Energie
Dolans Filme sind energiegeladen. Er zeigt die Gruppe unterlegt von impulsiver und lauter Musik, lässt sie durcheinanderreden. Die Filmschnitte sind schnell und die Kamera rast über die Gesichter der Schauspieler. Auf der Party geht der Regisseur ganz nah ran. Die Personen feiern losgelöst – die Haare fliegen ins Gesicht. Der Rauch von Zigaretten und Hasch breitet sich im Raum zwischen den Tanzenden aus. Auch in ruhigen Situation bleiben die Szenen kraftvoll, weil die Emotionen der Protagonisten zwar nicht immer offen gezeigt werden, aber jederzeit spürbar sind.
Dolans filmische Handschrift zeichnet sich durch zarten Lichtspiele aus: In Nahaufnahmen laufen Schatten über die Gesichter der Schauspieler. Der Fokus der Aufnahme liegt immer auf den Personen – oft setzt er die Figuren in die Mitte des Bildes. Häufig zeigt Dolan Personen von hinten. Er lässt den Zuschauer über die Schulter schauen und nimmt ihn so in die Szene mit rein.
Die Geschichten, die Dolan erzählt, sind meistens schlicht: Die Handlungen drehen sich um wenige Protagonisten und der Plot ist oft alltagsnah. Familienbeziehungen sind häufig ein Thema. Trotz der einfachen Handlung ist “Matthias & Maxime” sehenswert, denn der Regisseur schafft es, die komplizierte Beziehung der Protagonisten detailliert und vielschichtig herauszuarbeiten. Und eines ist klar: Egal, was passiert, die Freundschaft zwischen Matt und Max bleibt.